Freitag, 23. Dezember 2005

Geduldsprobe (Rama, Nicaragua)

"Vielleicht, vielleicht auch nicht!" - ist die Antwort des fuer die Hafensicherheit zustaendigen Marinesoldaten, auf unsere Frage, ob denn nun heute ein Boot auf die Insel fahren wuerde. Vor drei Tagen sei ein Boot von der Insel in Richtung Festland gefahren, und dieses Boot erwarte man heute zurueck, aber sicher sei nichts, man muesse abwarten, bis sich der Kapitaen meldet... Passagierboote nach Corn Island fahren nur drei mal pro Woche, an drei aufeinanderfolgenden Tagen. Wer an einem anderen Tag reisen will, so wie wir, braucht eine gute Portion Glueck und eine Menge Geduld. Und so setzen wir uns zu den sechs anderen Touristen, die auf ein Schiff warten, das vielleicht gar nicht kommt und warten. Gegen Mittag schwinden unsere Hoffnungen, heute noch weg zu kommen. Es sei sehr unwahrscheinlich, dass die Fischer noch kommen, meint der Marinesoldat. Wir sollen es morgen frueh nochmals versuchen. Tja, nicht nur geduldig muss man sein, sondern auch Flexibilitaet ist beim Reisen gefragt, und so quartieren wir uns im einzigen Hotel des "Bluff" ein. Der "Bluff" ist der eigentliche Hafen von Bluefields, an der nicaraguanischen Atlantikkueste. Und als "Bluff" kommt uns auch das uns angekuendigte Fischerboot vor, das nicht gekommen ist... Wie in jeder Hafenstadt der Welt, scheint auch hier das Prostitutionsgewerbe zu bluehen. Diesen Eindruck erwecken jedenfalls die Kondompackungen, die in allen Zimmern des schaebigen Hotels herumliegen. Und schaebig ist nur der Vorname des Hotels... Schluessel fuer die Zimmer gibt es nicht. Von innen kann man die Zimmer zwar abschliessen, aber um nachher wieder von aussen rein zu kommen, muss der Hotelbesitzer das Schloss mit einem grossen Kuechenmesser aufbrechen... Naja, dieses Problem hatten wir nicht, denn unsere Zimmertuer liess sich nicht mal von innen schliessen... Aber wir sind flexibel und haben uns schon mit dem Gedanken angefreundet, die Nacht hier zu verbringen. Das naechste Problem, das sich uns stellt ist Hunger. Im einzigen Hotel des Bluff befindet sich auch das einzige Restaurant und wer Fisch will, muss zwei Stunden auf sein Essen warten. Etwas anderes gibts nicht. Flexibilitaet ist gefragt, und wir machen uns auf die Suche nach Eis und Keksen. Schwierig... Doch immerhin Bananen finden wir, und dann kommt er auch schon angerannt, der Mann der mit der Botschaft fuer die "Gringos" im Bluff losgeschickt wurde: "Das Boot ist gekommen, schnell. Es steht schon im Hafen." Wir koennen unser Glueck kaum fassen! Es ist Nachmittag um vier, und das Fischerboot ist doch noch gekommen. Wir fahren auf die Insel! Schnell zurueck ins Hotel, Rucksack packen und schnellen Schrittes zum Hafen. Die Besatzung des kleinen Fischkutters hat extra auf uns gewartet und kaum an Bord fahren wir los. Neben uns Touristen und der Besatzung des Bootes fahren noch ein paar Huehner und ein kugelrundes Schwein mit nach "Big Corn". Das Abenteuer kann beginnen. Bald schon wird es dunkel, der Himmel ist sternenklar. Noch selten habe ich so viele Sterne auf einmal gesehen. Es ist einfach traumhaft... Oder muss ich sagen: es WAERE FAST traumhaft... waeren hier nicht die Dieselabgase die uns direkt ins Gesicht blasen und die heftigen Wellen... Spaetestens nach der halben Strecke bereuen die ersten, die Reise angetreten zu haben und schwoeren sich, fuer den Rueckweg das Flugzeug zu nehmen... Das Meer schuettelt "unseren" Fischkutter richtig durch und spielt mit uns wie mit einer kleinen Nussschale. Schon wieder ist Geduld und Durchhaltevermoegen gefragt. Wir versuchen es uns auf unserem Gepaeck und dem harten Boden einigermassen bequem zu machen um die Strapazen schlafend einigermassen zu ertragen. Nach fuenf Stunden haben wirs geschafft und erschoepft lassen wir uns ins Hotelbett auf Big Corn fallen. Und am naechsten Morgen werden wir auch belohnt: tuerkisblau schimmert das Meer vor unserem Hotel und die Sonne scheint. Und genau so schoen wie auf der Insel, ist es auch unter Wasser. Seit Belize vom Schnorcheln begeistert mussten wir uns sofort Schnorchelausruestung mieten und uns das Riff vor der Insel anschauen. Viele bunte Fische und verschiedene Stachelrochen haben wir gesehen. Traumhaft! Tja, und so haben wir ein paar Tage auf Corn Island verbracht. Eigentlich haben wir ja gar nicht mehr so viel Zeit, um einfach so "rum zu haengen", aber immerhin haben wir eine gute Ausrede, dass wir auf Corn Island rumgebummelt haben: es fuhr einfach kein Schiff vorher zurueck! (und fliegen waere ja doch zu teuer geworden...) Bleibt mir nur noch zu sagen: FROHE WEIHNACHTEN AN ALLE - FELIZ NAVIDAD Y PRÓSPERO AÑO NUEVO!

Samstag, 10. Dezember 2005

"Laufende Dollarscheine" im mausarmen Honduras (Tela, Honduras)

Bummel durchs Zentrum von Tegucigalpa

Der Strassenjunge blickt uns mit leeren Augen an. Unter dem schmutzigen T-Shirt versteckt haelt er eine Cola-Flasche. Doch er trinkt kein l
eckeres Suessgetraenk... Regelmaessig fuehrt er die Petflasche an seinen Mund um die Daempfe des Leimes einzusaugen. Das Leimschnueffeln hilft ihm, das harte Leben auf der Strasse auszuhalten, den Hunger, die Kaelte... Und er ist nicht alleine: neben ihm hocken drei andere Jungs, im Alter von schaetzungsweise 12-16 Jahren, und sie alle haengen an der Cola-Flasche, die mit Leim gefuellt ist.

Szenenwechsel: Santa Mónica, Tegucigalpa


Die Kinder stuermen auf uns zu und springen uns in die Arme. Sie scheinen gluecklich zu sein. Oder freuen sie sich einfach nur, ueberhaupt besucht zu werden, dass sie nicht ganz vergessen gegangen sind? Auf den Huegeln um Tegucigalpa wohnen sie, die Aermsten der Armen. Die Bretterbuden, in denen die Kinder mit Geschwistern und Eltern, oder zumindest der Mutter, wohnen, sind wohl kaum groesser, als fuenf auf fuenf Meter. Der Boden ist aus festgestampfter Erde, und ausgestattet sind die Huetten mit Schaumstoff-Matratzen, einer einfachen Feuerstelle und vielleicht einem kleinen Tisch oder Stuhl. Fliessend Wasser und Strom sind fuer die Leute hier Fremdwoerter, genau so wie es hier nicht selbstverstaendlich ist, eine Strasse, oder einen normalen Weg zur Haustuere zu haben. Nur schmalste, sandige, schwer passierbare Pfade an den steilen Haengen fuehren zu den Hausern hin. Die Schicksale der Menschen hier sind erschreckend: ich erinnere mich an das gelaehmte Maedchen, das von der Schwester (die etwa 10 ist) tagsueber gehuetet wird, wenn die Mutter in der Stadt Tortillas verkauft. Der Vater hat sich einmal mehr vor der Verantwortung gedrueckt und die Familie alleine gelassen... oder die vier Kinder, deren Mutter AIDS und Tuberkulose hat und bald sterben wird... Auch hier kein Vater, der sich danach um die Kinder kuemmern koennte... oder die 16-Jaehrige Jugendliche die vergewaltigt wurde, und von der Mutter nicht mehr aus dem Haus gelassen wird und jetzt ganz von der Aussenwelt abgeschlossen den Rest ihrer Jugend verbringen muss...

Ja, auch dies ist eine Realitaet Zentralamerikas, wenn auch eine, die ein "normaler" Tourist in Honduras kaum mitkriegt. Wir hatten in Guatemala eine Spanierin kennengelernt, die hier in Tegus bei einer NGO in sozialen Projekten hilft. (www.acoes.org) Sie hat uns diese Seite des Landes gezeigt. Und eigentlich laesst sich all das, was wir gesehen haben, gar nicht in Worte fassen... Ein Besuch einer Shopping-Mall - unter anderen Umstaenden etwas ganz normales - kam uns jedenfalls nach diesem Tag extrem komisch vor.
Von anderen Honduras-Touris hatten wir ja vorher eher schlechtes ueber dieses Land gehoert. Die Leute wuerden einen nur als "Dollarscheine mit Fuessen" sehen und seien Touristen gegenueber gar nicht nett eingestellt. Und ausserdem sei es hier extrem gefaehrlich...
Tja, vor dem Hintergrund der Armut wird zumindest die Kriminalitaet ein wenig verstaendlicher...
Trotz allem geniessen wir die Schoenheiten Honduras total. In der Naehe von Tegus haben wir den La Tigra Nationalpark besucht, ein Nebelwaldreservat, und jetzt gerade entspannen wir uns an der Karibikkueste in Tela.

Donnerstag, 1. Dezember 2005

(Fast) touristenfreie Zone (San Salvador, El Salvador)

Eigentlich wollten wir zum Cerro Verde fahren. Das ist ein Nationalpark um einen Vulkan und laut Lonely Planet ein Muss einer Zentralamerika Reise. Doch wieder einmal hat uns die Natur einen Strich durch die Rechnung gemacht - vor Kurzem ist der Vulkan Ilamatepec naemlich (zum ersten Mal seit 100 Jahren!) ausgebrochen, sodass der Nationalpark noch geschlossen bleibt. Pech gehabt. Tja, da mussten wir uns halt spontan umentscheiden. Doch dies war gar nicht so einfach. Bis jetzt hatten wir ueber die meisten anderen Laender Zentralamerikas schon von anderen Reisenden etwas gehoert und Tipps gekriegt, doch durch El Salvador scheint kaum jemand zu reisen. Das Land hat leider aufgrund des 12-jaehrigen Buergerkrieges, der bis ins Jahr 1992 dauerte, den schlechten Ruf ein gefaehrliches Land zu sein und die meisten Zentralamerika-Backpacker lassen El Salvador entweder ganz weg, oder fahren so schnell wie moeglich wieder aus dem Land. Einmal mehr war es uebrigens die US-Regierung, die das Militaerregime von El Salvador im sog. "Kampf gegen den Sozialismus" unterstuetzt hat. Ohne Reagons Lieferungen von Waffen und finanziellen Mittel haette die salvadorenische Regierung den Krieg gar nicht finanzieren koennen... (A propos Buergerkrieg ein kleiner Filmtipp: Schaut Euch "Voces Inocentes" an! Echt genial eindruecklich gemacht. Ich hab uebrigens eine DVD-Raubkopie von leider nur mittelmaessiger Qualitaet mit im Gepaeck, wer will darf die sich dann gerne mal ausleihen...) Tatsaechlich ist El Salvador so untouristisch, dass es schwierig ist, Postkarten zu finden. Als Auslaender faellt man hier noch mehr auf, doch die Leute begegnen uns sehr aufgeschlossen. Die Salvadoreños sind sehr gespraechig, und eine einfache Frage auf die es eine einfache Antwort geben wuerde endet in einem laengeren Gespraech. Sie wollen alles wissen, wie es ist da wo wir herkommen etc. Zum Teil koennen es die Leute gar nicht nachvollziehen, wie man "einfach so" umherreisen kann, ohne ein wirkliches Ziel zu haben, wie z.B. Verwandte die man besuchen geht oder so. Hm, wo war ich stehen geblieben... wir mussten uns spontan umentscheiden, weil der Cerro Verde Nationalpark geschlossen ist, und so kam es, dass wir nach Suchitoto gefahren sind. Suchitoto ist ein kleines, nettes Kolonialdoerflein und liegt an einem schoenen See. Wir haben unsere Entscheidung nicht bereut, und bedanken uns einmal mehr den Leuten von Lonely Planet, die sich "off the beaten track" nach El Salvador getraut haben. Momentan sind wir aber in San Salvador - die wohl lauteste Stadt Zentralamerikas. Die Musikanlagen der Verkaufer von Raubkopien-CDs sind doppelt so laut aufgedreht als sonst wo und auf dem Markt schreien sich die Verkaufer die Seele aus dem Leib um nach Kunden zu buhlen. Auch sonst wird alles gemacht, um die Kunden ins Geschaeft zu kriegen - man wird am Arm gezogen und zuerst einmal gefragt welche Groesse man hat, bevor man sich ueberhaupt dazu geaussert hat, ob und was man kaufen moechte... Ein echtes Erlebnis! So, und jetzt wirds draussen auch schon wieder dunkel. Das heisst fuer uns ab ins sichere Hotel...