Dienstag, 16. Oktober 2007

It's not all you need, it's all you want! (Al Ain, UAE)

Doppeltes Glück habe ich einmal mehr. Trotz Ramadan-Ende noch Platz auf dem Flieger zum Agenten Special Tarif und obwohl ich meinen Zug verpasse und per Autostopp zum Flughafen Zürich gelangen muss, sind wir (Annia & ich) auf dem Weg nach Dubai!

Am Flughafen in Dubai angekommen werden wir von Amin erwartet. Er ist der Bruder von Yasin vom Hospitality Club, welcher sich bereit erklärt hat, uns diese 4 Nächte aufzunehmen. Wir hatten die Wahl: entweder kriegen wir die Schlüssel für sein Appartement in Dubai oder wir reisen gemeinsam mit ihm nach Al Ain zu seiner Familie um Eid, das Ende des Ramadans zu feiern. Feiern tönt immer gut, besser, wenn man so auch einiges über eine fremde Kultur und Religion dazulernen kann, und so sind wir bald auf dem Weg auf der Wüstenautobahn nach Al Ain.

Am Horizont taucht Burj Dubai auf, das zukünftig höchste Gebäude der Welt, welches hier aus dem Boden schiesst. Bereits schon mehr als 500 Meter hoch bleibt seine endgültige Höhe bis zur Fertigstellung noch ein Geheimnis. Überhaupt ist Dubai momentan eine einzige Baustelle. Es entsteht ein Manhattan der Wüste, meint Amin. Da bereits in 16 Jahren die Erdölquellen versiegen werden setze man hier jetzt auf Tourismus und es wird gebaut was das Zeug hält...

Mehr und mehr entfernen wir uns von der Stadt. Links und rechts der sechs-spurigen Autobahn jetzt nur noch ein Streifen grün (künstlich bewässert), dahinter Sand bis zum Horizont... Erst noch hellbraun, je weiter Richtung Al Ain wir kommen umso röter färben sich die Dünen. Die Färbung hängt mit der Temperatur und der Sonne zusammen, meint Amin. A propos Temperatur: es ist 39°C heiss, resp. kühl, gemäss unserem Gastgeber, denn noch vor wenigen Monaten stiegen die Temperaturen hier auf 50°C!

Einen ersten Stopp legen wir bei der grössten "Dairy Farm" des Landes ein. Der Milchladen hat 24 Stunden geöffnet hier und verkauft frische Milchprodukte.
"Ihr seit in Dubai, dann müsst ihr Kamelmilch probieren", meint Amin und deckt uns auch gleich für die nächsten paar Tage damit ein. Die Milch schmeckt erst komisch, ungewohnt halt. Etwas herb und salzig, aber eigentlich nicht schlecht.
Erstaunt bemerken wir, dass Amin keine Kamelmilch trinkt, sondern normale Milch. Darauf angesprochen antwortet er augenzwinkernd, das sei nicht gut für ihn. Kamelmilch sei ein Aphrodisiaka, mache Männer heiss und dummerweise hätte er keine Frau, die auf ihn warte.... Tja... Wir zwei merken jedenfalls nichts von dieser Wirkung.

Nach ca. 1 ½ Stunden treffen wir in Al Ain ein. Wir lernen später, dass die Strecke auch in 45 Minuten zu bewältigen ist, je nachdem ob man nur mit 120 kmh oder 160 kmh fährt. Al Ain liegt im Emirat Abu Dhabi, es ist eine Oasenstadt und wird daher umgangsprachlich auch Gartenstadt genannt. Nirgendwo sonst gibt es in den Emiraten angeblich so viele Grünflächen. Es wird auch sichtlich viel Aufwand betrieben, die Anlagen zu pflegen. Aus Al Ain stammen mehrere ehemalige Herrscher, und so wohnt Amins und Yasins Familie in direkter Nachbarschaft eines Prinzen. Von dessen Anwesen sehen wir nur hunderte von Meter lange Mauern...

Amin und Yasins Familie wohnt etwa zu zehnt in einem grossen Haus. Die Familienmitglieder sind: Taher (der älteste Bruder), Yasin, Amin, Schwester Sofia, die Frau von Taher, die Frau von Yasin (welche uns nicht mit Namen, sondern als "Frau von Taher" und "Frau von Yasin" vorgestellt werden), Leila, die Angestellte, die Kinder von Yasin und Taher und dann noch ihre Mutter. Ein echter Dreigenerationen-Haushalt also. Wir haben keine arabischen Gastgeber, die Familie stammt aus Pakistan. Daher kleiden sich die Frauen auch nicht schwarz mit Kopftuch. Ihre traditionelle Kleidung ist bunt und statt Kopftuch tragen sie einen Schal um die Schultern.
Zur Begrüssung, und die kommenden Tage jeden Morgen, streichelt uns Oma übers Haar und tätschelt unseren Arm. Zudem labbert sie uns voll, in Urdu oder Punjabi. So genau wissen wir das nicht, jedenfalls verstehen wir anfangs kein Wort. Mit der Zeit lernen wir allerdings sie etwas zu verstehen, mit Händen und Füssen!

Yasin und seine Brüder kümmern sich total lieb um uns. Sie chauffieren uns dahin, wo wir wollen und Amin begleitet uns sogar mit viel Geduld beim Shopping im Chinese Mall und erweist sich zudem als hilfreich, wenn es ums Verhandeln der Preise auf dem Souk geht. Arabisch sollte man können!
Nur ein Problem haben wir: Yasins Familie hat ein gutes Geschäft entdeckt: Klimaanlagen! Das Familienunternehmen ist mittlerweile sehr gross. Man exportiert auch nach Europa und Afrika. So wurde Geld angehäuft, so viel, dass wir kämpfen müssen, unsere Einkäufe selber zu finanzieren. "Es kostet uns nichts, wir freuen uns, Euch eine Freude machen zu können", heisst es dann. Trotzdem, so finden wir, haben wir auch unser eigenes Geld, und es reicht, dass wir schon immer zum Essen, Shisha rauchen etc etc eingeladen werden...!!

So verbingen wir auch viel Zeit, ganz Eva-untypisch, in schicken Restaurants, Malls und besuchen sogar eine Belly Dance Show in einem Viersternehotel! (wo wir auch unser teuerstes Stück Wassermelone verdrücken) Vielleicht gehört das halt zu Dubai auch einfach dazu, Luxus pur, soviel wie es nur geht. Passend der Werbespruch eines Bauunternehmens: "It's not all you need, it's all you want"

Unseren Kurzurlaub in Dubai verbringen wir so bei lieben Leuten, und machen eigentlich nicht viel mehr, ausser Shoppen, Baden im Meer, Relaxen und einen kleinen Abstecher in die Dünen, wo wir es allerdings aufgrund der Hitze und des glühend heissen Sandes nicht lange aushalten!

Wir besuchen auch den lokalen Kamelmarkt in Al Ain. Und werden dort bald zur grösseren Attraktion, als es die Kamele sind. Kaum aus dem Auto gestiegen sind wir schon umringt von den arabischen Kamelhändlern, die uns am Arm packen und zu ihren Kamelen zerren. Wir müssen mit ihnen für Fotos posieren. Wohlgemerkt nicht für unsere Kameras! Schnell zücken sie auch ihre Handys um Fotos mit uns zu knipsen. Es wird ganz schön eng im Kamelgehege, umringt von Arabern und Kamelen. Wir haben jedenfalls unseren Spass, aber sind doch froh, Yasin und Taher dabei zu haben. Sonst wären wir so schnell nicht wieder da weg gekommen!

Al Ain befindet sich an der Grenze zum Sultanat Oman, und so machen wir mit Amin, nach der Rückfahrt von Dubai nach Al Ain auch einmal einen spontanen, mitternächtlichen Ausflug ins Nachbarland. Die Staatsgrenze teilt die Stadt. Auf der omanischen Seite heisst die Grenzstadt Al Buraimi. Die Grenze ist durch einen hohen Zaun markiert der mit Stacheldraht-Rollen verstärkt ist. Kilometerlang erstreckt sich der Zaun der Grenze entlang. Und ich dachte immer, die Amis sind die einzigen Spinner, die sowas machen... Nach dem Grenzposten ändert sich auch gleich das Bild, resp. das Fahrgefühl. Eben noch auf perfekt asphaltierten Strassen unterwegs geht es nun auf einer holprigen Piste weiter. Überhaupt sei Oman ein armes Land, zumindest wenn man es mit den Emiraten vergleicht. Das bringt Vorteile für die Bewohner Al Ains mit sich, denn hier floriert auch der Schwarzmarkt für piratierte Software und auch sonst ist einiges günstiger zu haben hier, als drüben.
Dem Zaun nach zu urteilen gibt es wohl auch viele Leute, die versuchen illegal in die UAE einzureisen...
Wir besichtigen in Al Buraimi eine schöne Moschee, bevor wir zurück nach Al Ain fahren und ins Bett fallen.

Hospitality Club bedeutet aber nicht nur gratis Unterkunft, gratis herumchauffiert werden oder zum essen eingeladen werden, es bedeutet auch ein echter kultureller Austausch inklusive der damit verbundenen Diskussionen über kulturelle Unterschiede.
Sofia wartet darauf, dass ihre Brüder oder ihre Mutter einen zukünftigen Ehemann für sie findet. Leider, so findet sie, ist sie zu dick. Um heiraten zu können müsse man schön schlank sein, so wie z.B. ich. Was Annia mache, um abzunehmen, war eine der ersten Fragen die sie uns gestellt hatte als wir das Haus betreten. Als Annia später erklärt, sie hätte noch nie Probleme gehabt einen Mann zu finden ist Sofia erstaunt. Denn: Annia ist nicht verheiratet und hat doch schon Männer gehabt? Unverständlich.
"Dann könnt ihr also mit einem Mann zusammen sein und ihn nachher einfach wegwerfen und einen neuen nehmen wenn ihr wollt?" Gleichzeitig ist Sofia fasziniert, wie auch schockiert, über unsere Kultur. Als wir Sofia sagen, in der Schweiz fände Sie bestimmt schnell einen Mann (denn sie ist wirklich sehr hübsch!) meint sie: "...aber meint der es dann auch ernst? Wenn er eine neue sieht kann er ja einfach gehen..."
Auch mit Taher unterhalten wir uns über Heirat. In der Schweiz gäbe es nur Love Marriages und keine Arranged Marriage, erzählen wir. Er hätte gehört, man könne auch zusammen leben, ohne verheiratet zu sein. Stimmt. Und so diskutieren wir auch über registrierte Partnerschaften unter Homosexuellen. Ein heikles Thema. Doch wir akzeptieren seine Meinung genau so, wie er die unsere akzeptiert.

Wir hatten hier ja selbst zuerst einmal zu erklären dass wir zwei nicht auch homosexuell sind. Es ist ja schon verdächtig, als Frauen gemeinsam zu zweit und ohne männliche Begleitung zu reisen. Als wir dann auch noch bemerken wir könnten problemlos auch ein Bett teilen, wir hätten auch schon in kleineren Betten gemeinsam geschlafen war für sie der Fall klar dass wir lesbisch sein müssen! Tja, andere Länder andere Sitten. Die männlichen Araber spazieren hier dafür händchenhaltend durch die Strassen - was für sie bloss Ausdruck von Freundschaft ist.

Und a propos Homos. Homos (sprich Humus) wird hier zur Leibspeise von Annia: Kichererbsenpaste. Scheckt ganz hervorragend zu unserem Standardessen: Shish Tabuk, Fattouch und Tabouleh.

Als Abschied erhalten wir von Oma Stoff. Damit wir uns ein typisch pakistanisches Kleid nähen können. Wahrscheinlich, damit wir endlich auch mal was richtiges zum Anziehen haben!

Viel zu kurz war der Trip. "Minimum ten days, minimum ten days" - betont auch Taher immer wieder, braucht es für UAE. Er will sogar meine Chefin anrufen und mit ihr sprechen, damit ich länger bleiben kann....
Doch vielleicht gibt es ja wieder mal ein Agent Special. Oder wir lassen uns von Taher einladen. So meint er auf dem Weg zum Flughafen er hätte noch genug Meilen bei der Emirates...

Sonntag, 15. Juli 2007

Schokolade, Schwein und Strand (Santa Marta, Colombia)

Stellt Euch vor, ihr bekommt eine heisse Schokolade und da ihr gesagt habt, dass ihr Kaese moegt, wird der Kaese gleich IN der Schoko serviert. Ist zwar etwas ungewoehnlich, schmeckt aber gar nicht schlecht, da der Kaese hier ziemlich neutral (um nicht zu sagen fad) schmeckt. Und wenn wir es gerade von Kaese haben: eigentlich sind die Schweiz und Kolumbien ziemlich aehnlich. Darauf jedenfalls schliesst Andrés aus Filandia, der mir auf der Strasse einen leckeren Fruchtsalat verkauft hat (ja, natuerlich mit Kaese drauf!), als ich ihm erzaehle, dass es in der Schweiz viele Kuehe und Kaese gibt.

Die Schweiz aehnlich wie Kolumbien? Also ich weiss ja nicht... Stellt Euch vor, ihr esst statt Popcorn "Hormigas Culonas" (etwa: Grossarsch-Ameisen *g* - schmecken uebrigens - wie koennte es anders sein- nach Kaese... ) Oder stellt Euch z.B. mal vor, ihr geht zum Bahnschalter der SBB und verhandelt um den Fahrpreis. Bei den Bussen hier wird meistens ein Rabatt gewaehrt, denn schliesslich faehrt der Bus ja schon fast los, oder ihr wisst, dass die Konkurrenz etwas guenstiger faehrt, oder weil der Bus im Gegensatz keine Klimaanlage hat, oder ganz einfach weil ihr findet es sei zu teuer...


Wie bereits geschildert, sind die Busse hier die Koenige der Strasse. Bedenkt man zudem, dass hier in Lateinamerika die Kuehe, Ziegen, Schafe, Huehner, Schweine etc. nicht nur auf eingezaeumten Wiesen weiden, sondern sich auch gerne direkt am Strassenrand (oder auf der Strasse) tummeln, erstaunt es kaum, dass es ab und zu auch zu Unfaellen kommt...

Ich sitze also im Bus von Cartagena nach Santa Marta (fuer den ich natuerlich einen Rabatt gekriegt habe) und ein armes Schwein (im wahrsten Sinne des Wortes) kommt unter unsere Raeder. Erst merke ich gar nicht, was los ist, als der Busbegleiter aussteigt und der Fahrer den Rueckwaertsgang einlegt. Was dann passiert kommt mir sehr suspekt vor... Fahrer und Busbegleiter hieven das tote, blutende Vieh einfach ins Gepaeckfach des Busses. Waehrend der folgenden, etwa zweistuendigen Fahrt nach Barranquilla stelle ich mir vor, wie es im Gepaeckfach langsam nach Tod riechen muss und wie das Blut des Tierchens alles Gepaeck (auch mein Rucksack!!) verklebt... Immer wieder halten wir in den Doerfern an, das Schwein wird ausgeladen, weggetragen um kurz darauf dann wieder im Gepaeckfach verstaut zu werden. Es scheint sich einfach kein Abnehmer fuer die tote Sau zu finden...

Erst ab Barranquilla fahren wir schweinelos weiter. Mit zwei Stunden Verspaetung treffen wir in Santa Marta ein. (Verspaetung nicht (nur) wegen der Schweine-Aktion, auch weil wir in Barranquilla auf neue Passagiere warten mussten, damit der Bus voll weiterfahren kann, weil wir uns alle darueber schweinisch aufregen mussten und vom Fahrer im Bus eingeschlossen wurden weil wir uns sonst haetten wehren koennen und mit einem anderen Bus weitergereist waeren... aber das ist eine andere Geschichte... mein Rabatt war jedenfalls angesichts dieser Tatsache viel zu klein!)

In Santa Marta wartet Fernando auf mich. Ihn habe ich durch Couchsurfing in Bogota kennengelernt und da er sowieso geschaeftlich nach Barranquilla musste, nutzte er die Gelegenheit so ein paar Tage an den Straenden von Santa Marta zu relaxen. Etwas oestlich von Santa Marta befindet sich naemlich Tayrona – ein kleines Paradies auf Erden. Einfach herrlich um die Seele im Schatten der Palmen baumeln zu lassen. Und so verbringe ich die letzten Tage meiner Reise im Zelt und an einigen der wohl schoensten Straende der Welt. Natur und Bilderbuchkaribik pur. ...und rufte nicht die Arbeit, wer weiss wie lange ich da bleiben wuerde... Kokospalmen, Karibik, Kolumbien...

Dienstag, 10. Juli 2007

Bienvenido al Caribe! (Cartagena, Colombia)

Mein erster Eindruck von der Karibik Kolumbiens war erst einmal getruebt:

Kaum nahe des Zentrums von Cartagena aus dem Stadtbus ausgestiegen, naehert sich mir ein junger Mann. Er versucht mir meinen kleinen Rucksack zu entreissen. Da ich diesen jedoch am grossen angebunden habe und festklammere scheitert sein Versuch. Da ich im Bus eben noch Musik hoeren wollte (die jedoch von der lauten Vallenato Musik im Bus selber uebertont wurde) haengt immer noch mein MP3-Player um meinen Hals, zwischen meinem Bauch und dem kleinen Rucksack. Da er den Rucksack nicht kriegen kann, wird logischerweise der Player zum Ziel des Räubers. Ich versuche mich zu wehren, doch viel zu schnell laeuft er weg mit meinem MP3... Tja, Pech gehabt, denke ich schon... „Por dar papaya!“ – wie man in Kolumbien zu sagen pflegt - selber dumm, den Player nicht im Rucksack zu tragen!

„Hijuepuuuta, Ladrón, Malcriaaado, Policíiiia, Hijuepuuuta...“ schreie ich, waehrend ich versuche dem Typen hinterher zu rennen – wobei ich natuerlich beladen mit grossem und kleinem Rucksack jaemmerlich scheiteren muss... Der Junge verschwindet unter einer Bruecke, ebenfalls meine Hoffnung, den Player je wieder zu sehen... Ich hatte den MP3 also schon abgeschrieben (waere ja nicht das erste Mal, gell Uli!!) und wollte mich auf die Suche nach einem Hostal machen, doch da bin ich schon umringt von einer Horde Zeugen und Passanten. Was passiert sei, wo er hin gerannt sei, was geklaut wurde etc wollen sie wissen. Kurz darauf faehrt ein Pick-Up voller Militaers vorbei, der von einem der Maenner gestoppt wird. Aus dem Laster steigt nun eine Horde Soldaten (sicher 10 – 15 Maenner), diese zuecken ihre Waffen und nachdem ein Zeuge unter die Bruecke zeigt verschwinden sie einer nach dem anderen darunter. Ploetzlich heisst es nun, es wurde mir nicht nur der MP3 geklaut, sondern auch noch die Kamera und mein Pass und ich sei mit einem Messer bedroht worden. Immer wieder muss ich den Militaers und den spaeter dazu gestossenen Polizisten erklaeren, dass es nur ein kleiner MP3 Player war, dass es sich nur um einen Entreissdiebstahl handelt und mich der Mann in keiner Weise bedroht hatte. Es ist echt unglaublich, wie schnell die Leute Geschichten erfinden... Ich finde die Situation ausserst skurril, eine halbe Armee wegen einem MP3-Player!!!

Es dauert keine fuenfzehn Minuten, da pfeifen mich die Polizisten auch schon zu sich, hinter die Bruecke. Da hockt er auf dem Boden im schwarzen T-Shirt, im Dreck, voller Staub und am Kopf stark blutend, der Mann, welcher alles leugnet, von nichts wissen will, jedoch von allen Zeugen klar identifiziert wird (obwohl er eben noch ein blaues T-Shirt getragen hat...)

Die Passanten werden weg geschickt, und zusammen mit zwei Zeugen, zwei Polizisten und dem in Handschellen gelegten Taeter trotte ich in Richtung Stadtpark, wo sich anscheinend die naechste Polizeistation befindet. Der Taeter wird in einer Ecke des Postens angekettet und muss auf dem Boden hocken, waehrend ihn die Beamten beschimpfen... Lange geschieht ausserdem gar nichts, und ich beobachte die Aeffchen, welche in den Baumen des Parks herumturnen.

Ich warte und warte, und weiss eigentlich gar nicht worauf, bis mit einer der Beamten froh erzaehlt, man haette meinen MP3 gefunden. Zehn Minuten spaeter kommt dann auch ein Polizist angefahren und uebergibt mir stolz meinen Player. „Wie die Huehner mussten wir im Sand unter der Bruecke scharren...“ – meint er grinsend. Ich kann es kaum glauben!! Eine halbe Armee und ein paar Polizisten haben meinen Player davor gerettet, auf dem Schwarzmarkt zu landen! :^)

Obwohl es viele nicht verstehen, denen ich den Vorfall erzaehlt habe, aber ich habe den Mann nicht angezeigt. Der knapp 22-jährige lebt unter der Bruecke und klaut wegen seiner Drogensucht. Er ist meiner Meinung nach nicht nur Taeter, sondern auch Opfer seiner Gesellschaft. Die Angst die er unter der Bruecke wohl ausstehen musste, als eine halbe Armee einmarschiert ist Strafe genug... ;^)

Freitag, 6. Juli 2007

Tengo la camisa blanca (San Gil, Colombia)

Juanes hat nicht mehr die "Camisa Negra" sondern die "Camisa Blanca". Eine neue Bedeutung bekommt sein Lied, wenn er singt "Volverte a ver":

(...) Porque sin ti mi vida yo no soy feliz
Porque sin ti mi vida no tiene raíz Ni una razón para vivir lo único que quiero es poder regresar Poder todas las balas esquivar y sobrevivir Tu amor es mi esperanza y tú mi munición Por eso regresar a ti es mi única misión (...)

Juanes singt im T-Shirt mit der Aufschrift "Tengo la camisa blanca - por la paz en Colombia" Am 18 Juni hat die FARC 11 Diputados (Abgeordnete) aus dem Valle del Cauca, genau 5 Jahre nachdem sie sie entfuehrt hat, ermordet. Seither protestiert Kolumbien. Gegen die Entfuehrungen, gegen die Gewalt, fuer den Frieden. Zu hundert Tausenden sind sie auf der Strasse, in Bogota, Medellin, Cali, Bucaramanga, Barranquilla... im ganzen Land. Alle schwingen sie weisse Fahnen, halten Fotos Verschwundener oder brennende Kerzen in den Haenden, und Juanes singt...

Auch in Villa de Leyva wird protestiert. Durch die Strassen faehrt ein Auto mit Lautsprecher: "No queremos mas secuestrados. Paz para Colombia" - und an der Kirche haengt ein weisses Banner mit der Aufschrift "Jesus - nunca mas" und den Namen einiger der 4200 Entfuehrten...


Das Banner ist das einzig weisse am Hauptplatz von Villa de Leyva. Obwohl auf allen Postkarten und Fotos das Kolonialstaedtchen weiss strahlt, sieht das Zentrum momentan sehr bunt aus. Gelb die Kirche, blau, rot, gruen und braun die anliegenden Hauser. Was ist nur passiert? ... Tja, in Kolumbien scheinen Telenovelas sehr wichtig zu sein. So wichtig gar, dass man dafuer ein ganzes Dorf veraendert! Fuer die Telenovela "El Zorro" wurde Villa de Leyva bunt gefaerbt. Dies bleibt so bis im kommenden November, dann ist fertig gefilmt und Villa de Leyva wird wieder weiss gestrichen... Ob bis dann auch weisse Friedenstauben durchs Land streichen? ...

Dienstag, 3. Juli 2007

Eindrücke aus Bogota (Bogota, Colombia)

Jeden Sonntag nehmen tausende Menschen die Stadt per Fahrrad ein. Über 120 Kilometer der Hauptverkehrsadern der Stadt bleiben an diesem Tag mehrere Stunden für Autos gesperrt. Dies ist der Tag der Ciclovia. Es wäre nicht Lateinamerika, wenn dies nicht zu einem grossen Volksfest würde. Die Menschen sind unterwegs per Zwei-, oder Dreirad, Inlines oder sonstigem fahrbaren Untersatz. Imbissbuden säumen die Strasse, alle sind fröhlich, lachen, geniessen nach der Velotour die Grünflächen entlang der Strecke. Es wird gequatscht, gesonnt, gepicknickt und geküsst. Ich bin in Bogota gelandet und es ist unheimlich friedlich.

Streifzug durch Bogota. An einer Ecke die Smaragdverkäufer, auf dem Platz vor dem Goldmuseum der Hippiemarkt. Das Goldmuseum soll eines der besten ganz Lateinamerikas sein, zumindest eines der bestbewachten. Die sagenumwobenen präkolumbinischen Goldschätze lagern hier hinter dicken Panzertüren und gesicherten Vitrinen. Auf drei Stockwerken sind die fein gearbeiteten Schätze zu bewundern. Noch viel mehr der Stücke landeten leider nicht hier, sondern als Goldbarren in Spanien. Eingeschmolzen und ins Vaterland verschifft von den goldsüchtigen Kolonialisten.

Auf der Strasse bittet mich ein Bettler um Geld, das ich ihm negiere. Darauf hin bekomme ich seine Lebensgeschichte zu hören. Vertrieben wurde er, aus seinem ehemaligen Wohnort, von den Grossfirmen und ihrer „Selbstverteidigungsarmee“, den Paramilitärs. Einer der zig-tausend internen Flüchtlingen, die in der Hauptstadt ein neues Leben suchen. Und nicht finden. Was mich stutzen lässt, seine folgende Aussage: „Das hier ist nicht das Paradies, wir leben nicht in der Schweiz“ Er kann nicht wissen, dass ich Schweizerin bin. Er erreicht was er wollte und ich gebe ihm ein paar Pesos, für seine traurige Geschichte.

Ist die Schweiz wirklich das Paradies? Und – geht es uns vielleicht so gut, da es den Leuten hier schlechter geht? Dunkle Gedanken trüben den Tag. Immerhin gehören auch die Schweizer Unternehmen Nestlé und Glencore zu den Firmen hier, die erwiesenermassen im Namen der Gewinnoptimierung mit Hilfe der Paramilitärs ihre Gewerkschaften unterdrücken. Unbegründete Entlassungen, Vertreibungen, Einschüchterungen, Mord...

Kolumbien ist ein intensives Land.

Anschliessend Aufstieg zum Monserrate, Bogotas Hausberg. Nicht unanstrengend, schliesslich geht es von 2'500 auf 3'000 Meter. Entlang des Pilgerweges zum Gipfel ist die Unterhaltungsindustrie präsent. Man fühlt sich wie auf einem Jahrmarkt. Verkäufer mit Lotterielosen, ein improvisierter Schiessstand, Verkäufer von Kruzifixen und Marienbildchen, kleine Buden, wo man vom Süssgetränk zu Hormigas Culonas („Grossarschameisen“ – eine kolumbianische Alternative zu Popcorn) alles kaufen kann. Doch am erfolgreichsten scheint der Mann, der Stromstösse verkauft. Vor ihm scharrt sich die Horde. Der Spieler nimmt ein Metallstücke in jede Hand, während der Stromverkäufer per Kurbel die Dosis erhöht. 60, 65, 70... zählt laut der Verkäufer mit. Erst kribbelt es wohl, bis es weh tut. Kurz vor 80 lassen sie alle los, und verlieren somit den gesetzten Einsatz. Nur einer gewinnt. Der Alte grinst verschmitzt. Ich vermute, ein Komplize des Verkäufers, ohne Stromspannung. Ich liebe originelle Methoden zur Geldbeschaffung, und die Naivität der Leute.

Daneben die Pilger, die in Dank an die Wundersame schwarze Jungfrau von Monserrate barfuss, oder auf den Knien den Berg hoch steigen. Eineinhalb Stunden, bis die Knie bluten.

Herrliche Aussicht von oben. Bogota ist mit über 7 Millionen Einwohner die grösste Stadt in den Anden. Das sind so viele Einwohner, wie die ganze Schweiz. Aus dieser Perspektive wird deutlich, dass die Zahl wohl stimmt. Im Norden (die Reichen), gen Süden (die Armen), gen Westen - überall Stadt, bis zum Horizont. Doch Blick in den Osten: grüne Täler und Berge. Kolumbien ist voller Gegensätze.

Mittwoch, 27. Juni 2007

Könige der Strasse (Armenia, Colombia)

Von Cali fuehrt mich die Reise nach San Cipriano. Ich fahre im Sammeltaxi in Richtung Buenaventura, der wichtigsten Hafenstadt des Landes am Pazifik. Von karger Bergvegetation geht es hinunter durch die immer gruenere Landschaft.

Noch vor kurzem galt diese Strecke als gefaehrlich, da die Guerrilla sich in dieser Region aufhielt. Doch heute kann man sicher reisen. Daran erinnern immer wieder Plakate mit der Aufschrift: “Reise beruhigt – deine Armee bewacht die Strasse”. Und so ist der Cali-Buenaventura Highway denn auch gesaumt von Polizei und Militaer. Alle paar Kilometer in regelmaessigen Abstaenden stehen sie da, in ihren Tarnanzuegen, schusssicheren Vesten und bis auf die Zaehne bewaffnet mit Maschinengewehr. Waehrend die Militaers “nur” Praesenz markieren und bewachen, kontrolliert die Polizei auch die durchfahrenden Fahrzeuge. Immer wieder wird man angehalten, ein kritischer Blick des Beamten durch die Passagiere, ein kurzer Blick ins Gepaeckfach auf der Suche nach Drogen dann geht es weiter…


Gefaehrlich ist die Strecke trotzdem. Daran erinnern immer wieder die Strassenschilder: “Hohes Unfallrisiko – fahre langsam”, “Gefaehrliche Kurve – fahre langsam”. Gesaumt ist die Strecke denn auch nicht nur von Polizei und Militaer, fast so haufig sieht man auch kleine Kreuze am Strassenrand… Kann ich jetzt beruhigt reisen oder muss ich bangen?
Gemischte Gefuehle auf dem Hinweg im Sammeltaxi, Angst beim Rueckweg im Bus. Denn sowohl die Bus- wie auch Lastwagenfahrer in wohl ganz Lateinamerika glaubt sich Koenig der Strasse zu sein. Es scheint ein regelrechter Kampf zu sein, sich gegenseitig zu beweisen, wer der echte Koenig, der Rey de la Carretera, ist, und so liefern sich Busse und LKWs regelrechte Wettrennen. Trotz doppelt durchgezogener Mittellinie und Warnschildern (“Bei durchgezogener Linie nicht ueberholen – hohes Unfallrisiko”) sieht und erlebt man die krassesten Ueberholmanoever: Galaxia (mein Bus) gegen Transsur, Transsur gegen Pickups, Pickup gegen den vom Hafen kommenden mit “Hapag Lloyd” Container beladenen Truck, “Hapag Lloyd” gegen “Hamburg Sued” gegen “China” gegen Transsur gegen Galaxia… alle gegen alle…

Nach den abenteurlichen Strassenverhaeltnissen kann mich nichts mehr aus der Ruhe bringen, so glaube ich, bis ich mein naechstes Verkehrsmittel sehe: die Bruja oder Brujita (Hexe / Hexlein). Um nach San Cipriano zu gelangen muss man in Cordoba, kurz vor Buenaventura, auf die Brujita umsteigen. Da die Eisenbahngesellschaft diese Strecke eingestellt hatte, blieb San Cipriano abgeschnitten, ohne Strassen und Verkehrsanbindung. Doch da waren noch immer die Schienen! Man muss sich nur zu helfen wissen, und so kreierten die Bewohner ein neues Verkehrsmittel, die Brujita. Ein Motorrad, ein paar Bretter, Naegel, Raeder fuer die Schienen und eine kleine, lose aufs Gefaehrt gestellte, wackelige Holzbank damit die Passagiere bequem reisen – das ist die dreisinenartige, kleine Hexe, welche heute San Cipriano mit dem Rest der Welt verbindet.
Nach Sicherheitsmassnahmen fragen sollte man nicht, denn es gibt keine. Ja ja, Unfaelle haette es schon gegeben, erzaehlt mein Chauffeur, wenn eine Brujita nach oben will wenn gleichzeitig eine nach unten faehrt und keiner nachgeben will und die Schiene verlaesst… Kleine Koenige der Schienen anscheinend eben auch hier! Da bin ich ja mal gespannt - und los geht das Abenteuer. Die rasante Fahrt geht vorbei an kleinen einfachen Huetten, bellenden Hunden, ueber die Schienen springenden Kindern, ueber unstabil wirkende Bruecken und durch ueppigen Dschungel hinunter nach San Cipriano. Auf meiner Brujita sind wir vier sitzende Passagiere und zwei stehende, die sich an meiner Schulter festhalten, und – natuerlich – der Chauffeur. Wir naehern uns einem Mann, der seine eigene Brujita faehrt. Er hat keinen Motor, sondern nur einen Stock, mit dem er sich am Boden vorwaerts stosst. Runter geht das gut, doch bergwaerts muss es ganz schoen anstrengend sein!! Wir hupen, schnell springt er zusammen mit seinem Gefaehrt von den Schienen und wir duesen vorbei …

San Cipriano ist ein kleines Doerfchen, umgeben von tropischem Regenwald, an den Ufern eines Flusses gelegen, der zum Baden laedt. Die Bevoelkerung hier ist mehrheitlich schwarz und lebt in einfachen Hauschen. Ueber den steinigen Weg springen Huehner, rennen Hunde und Kinder spielen Fussball. Der Ort erinnert mich, nicht zuletzt wegen der schwarzen Bevoelkerung, an die Karibikkueste Zentralamerikas. Obwohl das Dorf nicht am Meer liegt, ist die Atmosphaere vergleichbar mit der eines kleinen Fischerdoerfchens am Strand. Obwohl es bewoelkt ist und nieselt ist es heiss und schwuel und nichts besser als ein Bad im Fluss.



Es heisst, in Kolumbien werden immer wieder Leute entfuehrt, und so sollte es auch mir ergehen. Ein junger Mann steigt aus dem Fluss und spricht mich an. Ich kann mich kaum wehren, so verlockend ist sein Angebot, und schon sitze ich auf seinem Moped, entfuehrt zu noch schoeneren Orten am Fluss, noch weiter drin im Dschungel. Hier ist der Fluss richtig tief und herrlich zum Schwimmen. Opfer meiner Entfuehrung mein Brujita-Chauffeur, mit dem ich eine Zeit fuer die Rueckfahrt vereinbart hatte. Dieser einzigartige Ort am Fluss liess mich einfach nicht mehr los, und so musste er eine ganze Weile auf mich warten – was ihn zum Glueck nicht zu stoeren schien, denn schliesslich weiss er ja auch Bescheid ueber die Situation in seinem Land und die Verlockung seiner Schaetze…

Montag, 25. Juni 2007

Von Kondoren, Protesten und Minuten (Cali, Colombia)

Erst die Arbeit, dann das Vergnuegen, habe ich mir gesagt, und so verbringe ich die erste Woche meiner Reise als FAM Trip in Ecuador. Neben vielen Hotels sehe ich so ganz nebenbei auch einiges: einen vom aussterben bedrohten Brillenbaer inkl. Nachwuchs, vier wildlebende Kondore, Indianermaerkte, Kolonialstaedte, eine abenteureliche Eisenbahnstrecke und… viel Wolken, Regen und Nebel und folglich leider keine Vulkane auf der beruehmten Strasse der Vulkane. In den Hotels hiess es dann immer: von hier haette man eine super Sicht auf den Vulkan, und ich sah gerade mal grau.

Nach einer anstrengenden Woche reise ich also weiter nach Kolumbien, in der Hoffnung, hier ein bisschen mehr Glueck mit dem Wetter zu haben. Im Bus zur Grenzstadt Tulcan sitzt eine Frau neben mir und wir beginnen ein wenig zu quatschen. Sie erzaehlt mir ihr ganzes Leben, ihre Ehekrise, wie sie von ihrem alkoholsuechtigen Ehemann schlecht behandelt und betrogen wird, wie er all das hart verdiente Geld in seine Sucht investiert, dass sie ihn verlassen will, wie sie ihr Glueck in Spanien versucht hat und dann doch wieder zurueck nach Ecuador gekommen ist, da das Leben in Spanien als Ecuadorianerin nicht einfach war und sie ihre vier Kinder so stark vermisst hatte… Genau diese Begegnungen sind es, die das Reisen spannend machen, und so bevorzuge ich es allemal im Lotterbus herumzureisen, als als wohlbehueteter Touri im Privatfahrzeug herumchauffiert zu werden und das reale Leben nur von aussen zu sehen.

In Tulcan treffe ich eine alte Frau, die ebenfalls zur Grenze muss, und so teilen wir uns das Taxi zur Busstation wo die Kleinbusse zur Grenze losfahren. Dort muss ich ganz schoen kaempfen, nicht sofort ins naechste Taxi nach Ipiales (Grenzstadt in Kolumbien) verfrachtet zu werden. All die Kolumbianer & Ecuadorianer welche mit mir im Sammeltaxi reisen scheinen Ihre Dokumente nicht stempeln oder vorzeigen zu muessen, da sie wohl nur schnell ueber die Grenze und dann gleich wieder zurueck kommen, und so muss ich ganz schoen kaempfen, dass die mich und vor allem mein Gepaeck nicht auch gleich ins naechste Sammeltaxi zerren. Schlussendlich schaffe ich es, mich loszureissen und meinen Pass doch noch gestempelt zu kriegen.
Die anschliessende Fahrt nach Pasto ist beeindruckend: den Berg herunter geht es von karger Berglandschaft hinunter in ein fruchtbares, gruenes Tal, vorbei an kleinen, weissen Adobehauschen. Ein Gegensatz zu den moderneren Bauten eben noch in Ecuador.

…und in Pasto muss ich mich wieder daran gewoehnen, auf den Luxus eines vier oder fuenf-Sterne-Hotels zu verzichten…

Tags darauf reise ich bereits weiter nach Popayán, denn das Wetter in Pasto ist schlecht, und so lohnt es sich nicht den Vulkan zu besteigen oder sonst etwas zu unternehmen. Entlang der Panamericana trocknet hier eines der wichtigsten Exportgueter Kolumbiens. Auf grossen Planen liegen sie vor den Hausern der Farmer, die Kaffeebohnen, fuer die Kolumbien so beruehmt ist. Ob die Abgase der vorbeidonnernden Trucks die Qualitaet noch verbessern?? Viele von Euch fragen sich vielleicht, wieso ich gerade ausgerechnet ins ach so gefaehrliche Kolumbien reise, wo alle Guerrilleros oder Paramilitaers sind oder zumindest einem Drogenkartell angehoeren. Nun, die bestehenden Probleme leugne ich nicht, aber dies ist nur ein sehr kleiner Teil dieses Landes. Die Sicherheitslage hat sich in den letzten Jahren stark verbessert.

In Popayan, einer wunderschoenen Kolonialstadt, erinnern nur die Erzaehlungen von Diego, meinem Gastgeber vom Hospi Club, und die Protestsprueche an den Waenden an den Konflikt: “Gobierno asesino”, “Gobierno narcoparamilitar terrorista”, “Somos estudiantes y no terroristas, porque nos matan?”… Das Regierungsgebaude strahlt denn auch nicht ganz so weiss, wie die restlichen Kolonialbauten: mit Farbbeuteln beworfen ist es bunt befleckt. Ein Arbeiter retouchiert die Sprueche wieder mit weisser Farbe. Wie lange wird es wohl dauern, bis sie wieder da stehen?

Minuten verkaufen muss ein gutes Geschaeft sein hier in Kolumbien, denn der Kolumbianer, so auch Diego, verkauft Minuten. “Minutos” heisst es ueberall: Schilder an Hausern und Tiendas weisen darauf hin. Es gibt sogar Leute auf den Strassen, welche als “Sandwich” mit einem grossen Schild oder einer grell leuchtenden Veste herumlaufen mit der Aufschrift: “Vendo minutos”. Als Europaer unverstaendlich: hat man hier so viel Zeit, dass man seine ueberfluessige Zeit verkauft? Gerne wuerde ich mir ja ein paar Minuten Urlaubszeit kaufen, ist auch gar nicht teuer, mit Preisen zwischen 100 – 300 Pesos pro Minute. (0.05 – 0.15 USD) Doch was die Verkaufer besitzen ist nicht zu viel Zeit, sondern ein Handy. Wer es vermag, fuer sein Pre-Pay Handy viele Minuten aufs Mal zu kaufen, bekommt diese billiger, und kann sie dann teurer an die Leute weiterverkaufen, welche entweder gar kein Handy besitzen, oder aber zwar eines haben, jedoch die Minuten teurer einkaufen muessen, da es nicht fuer eine grosse Menge aufs Mal reicht… Mir wird klar, weshalb ich an der Grenze keine Telefonkarte finden konnte fuer die oeffentlichen Telefone, denn wer braucht schon ein oeffentliches Telefon, wenn an jeder Ecke irgendjemand Minuten verkauft? (Nebenbemerkung: es gibt auch oeffentliche Telefone, aber diese funktionieren nur mit Muenzen.  ) Und so klingelt es also bei Diego zu Hause immer mal wieder an der Tuer und jemand fragt nach “Minutos?”

Handy-Vertraege sind eine Sache fuer sich. Im Bus nach Silvia treffe ich Olga. Olga arbeitet fuer Comcel, einen kolumbianischen Provider. Ich reise nach Silvia, um den Markt zu besuchen, der jeweils dienstags stattfindet. Nach Silvia kommen dann all die Guambianos (ein indigenes Volk) aus den umliegenden Doerfern. Angefahren kommen sie in bunten “Chivas”, den fuer das laendliche Kolumbien typischen Bussen. Hier verkaufen sie ihre Erzeugnisse oder erstehen, was sie brauchen, z.B die traditionellen blauen Tuecher welche die Frauen tragen, oder die schwarzen Ponchos und blauen Roecke der Maenner, natuerlich aber auch Fruechte, Gemuese, Getreide oder…. Minuten? Denn hier ist Olga, und Olga verkauft Handy-Vertraege. Doch bevor sie sich ans Verkaufen macht, hausiert sie von Haus zu Haus, von Kunde zu Kunde, um die Monatsgebuehren und angefallenen Kosten zu kassieren. In vielen Doerfern hier gibt es keine Bank, und um die Handyrechnung zu bezahlen muss man den Betrag auf einer Bank einzahlen. Sowas wie E-banking kennt man hier nicht, anscheinend auch keine Bankueberweisungen, und so muessen die Kunden ins naechste Dorf zur Bank fahren, um die Rechnung in Cash am Schalter zu begleichen. Doch es gibt Leute wie Olga! Fuer eine kleine Kommission reist sie in die abgelegenen Doerfer (oder auch nicht so abgelegenen – aber ohne Bank) und kassiert das Geld, um es dann an Comcel zu ueberweisen. Unglaublich aber wahr: Olga scheint fast alle ihrer Kunden an diesem Dienstag zu treffen, entweder zu Hause oder auf dem Markt. Vor Ort versucht sie dann auch Neukunden zu adquirieren und ganz nebenbei kauft sie in Silvia dann auch gleich noch das Joghurt, fuer welches Silvia bekannt ist, und verkauft es in Popayan weiter…

Zuerst Olga und dann Andres sind heute meine Touristenfuehrer. Nachdem mich Olga durch Silvia gefuehrt hat, lerne ich auf dem Rueckweg nach Popayan Andres kennen. Er faehrt nach Popayan… um seine Handyrechnung zu bezahlen. Denn auch in Piendamo, wo er wohnt, gibt es keine Bank. Nachdem ich mit ihm von Bank zu Bank gepilgert bin, um abzuchecken wo die Schlange am kuerzesten ist und er schlussendlich ziemlich schnell das Geld einzahlen konnte, fuehrt er mich durch Popayan, zu den besten Empanadas, schoensten Gassen und dem besten Aussichtspunkt, wo wir einen herrlichen Sonnenuntergang sehen. Erst gelblich, dann orange und schlussendlich dunkelrot und schwarz, schnell geht das hier, und der Himmel aendert von Sekunde zu Sekunde. Klar, wir sind hier schliesslich sehr nah am Aequator.

Es ist echt unglaublich hier in Kolumbien. Wo immer man hinkommt, es findet sich jemand, der einen herumfuehrt, Geschichten erzaehlt und einem weiterhilft, wo noetig. Die Kolumbianer sind extrem gastfreundlich und hilfsbereit, sie freuen sich ueber jeden, der ihr Land besucht, denn es sind wenige die hierher kommen. Immer wieder werde ich mit einem Augenzwinkern gefragt, ob ich denn keine Angst haette, und groesser wird das Grinsen wenn ich sage, dass meine Mama zu Hause ganz schoen Panik gekriegt hat, als ich ihr von meinen Reiseplaenen berichtet hatte… Alle bedauern sie die Probleme und den schlechten Ruf des Landes, denn Kolumbien haette doch so viele Attraktionen! Und das stimmt - und wenn man diese als Tourist dann auch besucht, wird man meistens selbst zu einer…

Montag, 14. Mai 2007

Kuba - bittersüss wie sein Mojito (La Habana, Cuba)

Ich reise nach Kuba.
Ich reise na
ch Kuba, um dieses Land und sein System noch vor der bevorstehenden historischen Wende kennen zu lernen.
Ich reise nach Kuba, mit der Illusion, hier vielleicht ein gerechteres Lateinam
erika zu finden, als das, welches ich kenne.
Ich reise nach Kuba, auf der Suche nach Lebensfreude, wegen der Musik und um zu tanzen (ich bin nun halt einmal eine Salsaholic) Ich reise nach Kuba, mit im Reisegepäck eine neue Waschmaschinentüre und ein Kilo Pulver zum entkalken der Waschmaschine. Ich reise quick fidel nach Kuba.

Quick fid
el und voller Reisefieber fahre ich also am Samstag morgen zum Flughafen, wo ich mich mit Rahel treffe, und wir wohl so als ziemlich letzte noch einchecken (typisch Reisebüroangestellte ) Rechtzeitig beim Gate angekommen, müssen wir uns anscheinend bereits auf Kuba einstellen und wir warten. Die Schlange ist lang, und anstellen wollen wir uns noch nicht. Wir warten und warten. „Letzter Aufruf...“ – hören wir plötzlich, und mit einem halben Ohr glauben wir unsere Namen gehört zu haben.... Wir haben es doch tatsächlich geschafft, anscheinend noch halb verpennt, beim falschen Gate gewartet zu haben. Und so kommen wir in den Genuss, und in die peinliche Situation zugleich, im Privatbus als letzte zum Flieger chauffiert zu werden.
In Paris treffen wir auf Uli, welche aus Frankfurt angereist ist. Der Rest des Fluges verläuft unspektakulär, mal abgesehen davon dass an Bord zwei Jungs mit wirklich echt aussehenden Plastikpistolen spielen. Da scheint mir allerdings meine Sonnencrème auch einiges gefährlicher zu sein, deshalb hatte ich sie ja auch eingecheckt...
Der Flug bringt uns also direkt nach Havanna, wo wir die ersten paar Tage unserer Reise verbringen werden. Ich hatte mich schon auf die nervendsten Fragen am Zoll bezüglich der Waschmaschinentüre, welche ich für meine Freundin Bea die in Havanna lebt mitgenommen habe, eingestellt, doch alles geht schnell und ohne Fragerei.

Kaum aus dem Flughafen merkt man, dass Kuba anders ist. Statt von riesigen Werbeplakaten sind die Strassen von sozialistischer Propaganda gesäumt: „Vamos bien“, „Más unidos, fuertes y solidarios que nunca“, „Nada detendrá nuestro socialismo“, „Somos un país de patria o muerte”, “Uh! Ah! Chavez no se va”, “El futuro es nuestro”, “Luchar y trabajar – nuestro compromiso con Fidel”, “Feliz 48 aniversario del Triunfo de la Revolución”, “Somos Cubanos dignos y revolucionarios”, “Revolución es Unidad, Igualdad y Libertad”... Bestaunen wir erst noch jeden dieser Sprüche, gehören sie kurz darauf einfach zum Bild dazu und bald werden wir sie kaum noch beachten. Havanna muss einmal eine wunderschöne Stadt gewesen sein. Überall sieht man einst prachtvolle Kolonialbauten, von denen heute leider viele in einem erbärmlichen, verlotterten Zustand sind, ja bald in sich zusammen zu stürzen drohen. Immerhin wurde das Zentrum der Altstadt zum Teil restauriert - u.a. wohl weil die UNESCO „Habana Vieja“ zum Weltkulturerbe erklärt hat. Havanna wird liebevoll auch „die alte Dame der Karibik“ genannt. Alt ist sie, und voller Nostalgie. Zu den heruntergekommenen Gebäuden gesellen sich alte Blechkutschen: Chevrolets, Ladas etc. Man fühlt sich hier gleich ein paar Jahrzehnte zurück versetzt. Wohl nirgendwo sonst gibt es noch so viele Oldtimer. Romantisch sieht es aus, wenn sie vor den alten Häusern daher geschaukelt kommen, die alten Amischlitten. Doch 50 Jahre hinterlassen seine Spuren und dementsprechend sieht man auch an jeder zweiten Ecke jemanden, der gerade versucht, sein Auto zu reparieren und wieder zum fahren zu bringen. Dies liegt jedoch sicherlich nicht an der Sentimentalität der Kubaner oder ihrer Liebe die alten Klapperkisten so lange wie möglich zu pflegen, sondern halt einfach daran, dass es für Kubaner keine neuen Autos gibt!

Ein Taxista der uns mit seinem Lada zum Busterminal fährt erklärt uns denn auch, wie das mit den Autos hier so funktioniert: Autos gibt es für den Durchschnittskubaner offiziell keine zu kaufen, höchstens auf dem Schwarzmarkt – aber dort, bei einem Monatsgehalt von ca. 15 – 20 CUC, kaum erschwinglich. Autos gibt es nur für Touristen, die Regierung oder Sportler die im Land herumreisen müssen/dürfen. Die alten Kisten, die man auf den Strassen sieht, stammen denn auch alle noch aus den 50er Jahren. Wenn ein Autobesitzer stirbt, wird das Auto automatisch an seine Erben weitergegeben. Dies führt oft zu Komplikationen, dann nämlich wenn der ursprüngliche Besitzer X sein Auto vor seinem Tod irgendwo unter der Hand an den neuen Besitzer Y weiterverkauft hat. Da offiziell jedoch immer noch X als Besitzer des Autos gilt, gehört mit seinem Tode das Auto nun den Erben von X. Verarscht ist Y, sofern er sich nicht rechtzeitig darum kümmern konnte, vor X’s Tod das Auto an einen anderen illegal weiterzuverkaufen... Allgemein gibt es in Kuba fast keine Autos, ja, wären hier nicht die Mietwagen für Touristen, könnte man Kuba fast als „autofreies Land“ bezeichnen. Dies macht aus Havanna wohl auch die leiseste Hauptstadt Lateinamerikas, wenn nicht sogar die leiseste Hauptstadt überhaupt!

Statt nervendem Autolärm, gibt es dafür nervende „Jineteros“. Als Jineteros werden in Kuba die Kuppler bezeichnet, welche Touristen zu irgendeinem Ort (Bed & Breakfast, Restaurant etc) schleppen oder unoffizielle Touren verkaufen und dann fett Provision abkassieren und so „auf dem Buckel der Touristen reitend“ (Jinete = Reiter) einen lukrativen Zusatzverdienst haben. Angesprochen wird man überall und die Masche ist immer die selbe: Zunächst Smalltalk: „De dónde tú eres?“ oder in gebrochenem Englisch „Where you from?“ und dann das eigentliche Interesse: willst du etwas trinken, essen, kaufen...? Um diese Leute abzuwimmeln entwickeln wir unsere Strategien: „Somos de Marianao“ (ein schlechtes Wohnviertel von Havanna) oder einfach nur ignorieren. Manchmal hilfts - manchmal auch nicht... Jinetear ist in Kuba eigentlich verboten und steht unter Strafe. Ja, einzig schon, sich als Kubaner mit einem Ausländer blicken zu lassen, oder mit einem Touristen zu sprechen kann einen Kubaner in die Lage bringen, sich ausweisen zu müssen und stundenlang erklären zu müssen, weshalb man jetzt mit den Touristen gesprochen hat, um dann schlussendlich doch (fälschlicherweise) als „Jinetero“ gebüsst zu werden. Es passiert uns mehrmals, dass wir uns mit Kubanern nett unterhalten, diese dann plötzlich die Strassenseite wechseln und davon laufen. Meist sehen wir die Polizisten erst später...

Der Kontakt zwischen Kubanern und Touristen wird so systematisch unterdrückt und fast verunmöglicht. Diese Trennung wird verstärkt, durch die Tatsache, dass viele Regionen für Kubaner nicht zugänglich sind. Viele Strände (Varadero, viele Cayos...) sind für Touristen reserviert und für Kubaner verboten. Schade, denn wir sind es uns gewohnt, so nahe wie möglich am Land und den Menschen zu reisen, doch dies scheint in Kuba fast ein Ding der Unmöglichkeit zu sein. Es gibt Busse für Touristen und Busse für Kubaner, Taxis für Touristen und Taxis für Kubaner, eine Währung für Touristen und eine Währung für Kubaner, Nahrungsmittel für Touristen und Nahrungsmittel für Kubaner (ein Kubaner darf beispielsweise keine Langosta essen, da diese für Touristen reserviert sind. Offiziell nennt sich das Artenschutz...), Hotels für Touristen und keine Hotels für Kubaner... Eine verdrehte Welt...

Nach drei Tagen Havanna führt uns die Reise zuerst ins Viñales Tal. Für viele die vielleicht schönste Landschaft Kubas, auf jeden Fall die eigentümlichste. Viñales ist berühmt für seine eindrücklichen Landschaft mit Feldern, kleinen Farmhäusern, Tabakplantagen und den fast surreal wirkenden „Mogotes“ - bizarre Kalksteinkegel welche aus der Ebene ragen. Es gibt auch viele Höhlen in der Region, die entdeckt werden wollen. Uli und ich besuchen am ersten Tag die grausam touristischste von ihnen, die „Cueva del Indio“. Rahel, als Pferdefreak, zieht es hingegen auf den Rücken dieser Tiere, was für sie als Pferdefreund zuerst einmal die schwierige Aufgabe mit sich bringt, ein einigermassen gepflegtes und gesundes Pferd aufzutreiben. Die meisten Tiere hier sind mager und werden als Nutztiere gebraucht. Per Mietfahrrad – welche sich in ähnlichem Zustand befinden wie die meisten Pferde - geht es also zwischen den Mogotes zur Cueva. Endlich fühlen wir uns näher am Land und wir freuen uns über die uns zuwinkenden und grüssenden Menschen. Schön ausgebaut und beleuchtet geht es zuerst zu Fuss und danach im Boot durch die Gänge der Höhle. Zurück in Viñales treffen wir Luis Alberto – „Luisi“. Er verkauft Montecristos, nicht die Zigarren, sonder leckeres Süssgebäck, spottbillig für nationale Pesos. Am Abend ist Salsatanzen angesagt, Luisis Freund Yosviel entpuppt sich als ziemlich guter Tänzer. Keine Selbstverständlichkeit, auch nicht in Kuba!! Im Ausgang in Viñales sehen wir auch, wofür Kuba leider auch bekannt ist: Sextourismus. Junge Kubanerinnen verschwinden mit alten Europäern, doch auch Frauen scheinen wegen dem gleichen hierher zu kommen: Uli war schon etwas früher nach Hause gegangen, und Rahel wollte noch bleiben, und so begleitet mich mein Tanzpartner Yos nach Hause. Auf der Strasse eine Horde betrunkener Engländerinnen auf der Suche nach einem Taxi. Doch um diese Zeit ist es schwierig, ein offizielles Taxi zu finden, und so sagt Yos zu mir, ich solle ihnen sagen, er könne vielleicht ein illegales Taxi organisieren. Während Yos also das Taxi organisiert bequatscht mich eine der betrunkenen Engländerinnen. Ob ich mit dem „Black Guy“ zusammen sei wollte sie wissen, und dann: ich sollte mit ihm aufs Klo verschwinden, er sei ja so hübsch, bestimmt super im Bett und hätte bestimmt einen grossen „Dick“... Ich war sprachlos und schockiert!!

Yos und Luisi hatten uns offeriert, uns am nächsten Tag zu der „Cueva de las Piscinas“ zu führen, und so wanderten wir gemeinsam da hin. Die Höhle ist genial! Ausgestattet mit Taschenlampen wagen wir uns in die Dunkelheit, ab und zu huscht eine Fledermaus direkt an uns vorbei, zuhinterst dann die „Piscinas“, natürliche Pools, welche zum Baden im eiskalten Wasser einladen. Einfach herrlich! Durch Luisi und Yos erfahren wir auch viel spannendes über Kuba. Wir fragen nach der Nationalhymne des Landes und Luisi beginnt zu singen, doch was wir zu hören kriegen ist eine abgeänderte Version, welche sich über das System beklagt, und die Probleme des täglichen Lebens der Kubaner wiedergibt... „Komm nach Kuba und leide Hunger...“ etc etc... Gemeinsam lachen wir darüber, doch gleichzeitig stimmt es uns auch nachdenklich und traurig. Wir erfahren später auch, dass eben z.B. Luisi und Yos sich nur mit uns zusammen blicken lassen dürfen, weil Luisis Schwester bei der Polizei arbeitet und dass Luisi schon zweimal versucht hat, in die USA zu fliehen. Einmal dabei sei er fast umgekommen und einmal hat er es bis in US-amerikanische Gewässer geschafft, das Boot wurde allerdings wieder zurückgetrieben und dann aufgegabelt und zurück nach Kuba geschafft. Heute will er nicht mehr weg. Luisi erzählt auch, dass die USA das Dengue Fieber nach Kuba gebracht hätten. Als biologische Waffe hätten sie es mit dem „schwarzen Flieger“, einem Tarnkappenbomber, unbemerkt über Kuba abgeworfen...???!?!!!
Dengue, resp. der die Krankheit übertragende Moskito Aedis Aegypti (oder so ähnlich), wird in Kuba denn auch aus „Enemigo“ – Feind – bezeichnet. Überall sieht man Plakate welche von dem Feind warnen und erklären, wie man sich dagegen wehren kann. Die Mücken sind v.A. da zu finden, wo es stehendes Wasser gibt. Um den Feind zu bekämpfen, müssen also Wasserquellen jeglicher Art vermieden werden. Z.B. lesen wir also auf einem Plakat, müsse man alte Pneus entweder recyceln, sie unter einem Dach lagern, oder falls das auch nicht geht, sie mit Erde füllen und vergraben...

Der andere allgegenwärtige Feind sind natürlich die USA und ihr Terrorismus. Überall erinnern Bilder und Sprüche an die „Cinco Héroes“. „Volverán“ – sie werden zurück kommen.
Von Bea haben wir ihre Geschichte erfahren. Die 5, resp. eben eigentlich die 10, waren als Spione in den USA um geplante Attentate auf Kuba aufzudecken und zu verhindern. 5 von den 10 Spionen haben nach der Verhaftung „geplappert“ und mit den USA zusammengearbeitet, die „5 Helden“ hingegen haben geschwiegen und sind schon Jahre lang in Gefangenschaft der USA. Von den „Andern 5“ weiss in Kuba allerdings niemand. (Für weitere Infos: www.miami5.de oder http://de.wikipedia.org/wiki/Miami_Five )
Um das Feindbild zu stärken hört man in den Nachrichten denn auch Reden von „Cooperante“ Chávez, welcher Bush laut als Terrorist anprangert (womit er ja nicht Unrecht hat!) und sieht Bilder des amerikanischen Terrorismus im Irak. Ansonsten wird berichtet über die
Fortschritte der medizinischen Forschung in Kuba, über die neue sozialistische Regierung Daniel Ortegas in Nicaragua, über die sich gegen den TLC (Freihandelsabkommen mit den USA) wehrenden Costaricaner, oder (noch wichtiger – da ausführlicher) über die Feiern des 35 jährigen „Aniversarios“ des Lenin-Parkes in Havanna. Die Medien informieren, wie wohl in jeder Diktatur, mit grosser Zensur, sodass die Leute ein verzerrtes Bild der Welt bekommen. So wird uns gegenüber manchmal erwähnt, dass ausserhalb Kubas das Leben ja sehr hart sein müsse. Viel Terrorismus und viel Kriminalität, die Leute in Europa seien alle nur egoistisch und kümmerten sich nicht um die anderen, man kenne nicht mal die eigenen Nachbarn...

Information ist überhaupt auch so ein Ding... Inter
net gibt es nur für Studenten, Lehrer, Staatsangestellte, Doktoren... Dementsprechend hat auch fast niemand Email. Wer Internetzugang und Email hat ist stark privilegiert. Internetcafés gibt es zwar (wegen den Touristen), doch der Internetzugang ist sauteuer (5-6$ pro Stunde!!) und somit (bei einem Monatseinkommen von 15 – 20$) kaum erschwinglich. Zudem dürfen die Kubaner diese Cafés auch nicht benutzen. Und so gibt es viele Kubaner die es zwar irgendwie geschafft haben, sich eine Hotmail oder Yahoo-Adresse einzurichten, die sie sich z.T. auch zusammen mit anderen Personen teilen, doch um die Mails abzurufen, werden Touristen angestellt, schnell einen Blick in die Mailbox zu werfen. Dies ist Uli mal passiert, ich selber habe mich von dem zu teuer und zu langsamen Internet gerne 3 Wochen ferngehalten...

Und manchmal hat man in Kuba auch den Eindruck, dass den Kubanern eingetrichtert wird, als Kapitalist sei jeder Tourist ein Feind, der jedoch die Errungenschaften der Revolution (Schulbildung, Medizin etc) finanziert, und
deshalb ausgenommen werden muss wo man kann... Dieser Eindruck wird später verstärkt, als wir ein Bicitaxi (Fahrradtaxi) sehen, auf welchem in grossen Lettern „Fula pero Yuma“ steht. Kubanischer Slang für „Dollars aber Ausländer“ (etwas abschätzig, so wie Gringo) Verhandeln muss man deshalb immer und überall um den Preis. Erst noch zaghaft, doch später immer besser lernen wir um Taxi- und Zimmerpreise zu verhandeln. Nach drei Wochen wissen wir, Kubaner haben viiiiiel Zeit. Und so ist die beste Verhandlungstaktik auch einfach erst einmal die Hälfte des genannten Preises zu nennen, und dann einfach mal zu warten, bis mit der steigenden Warte- und Schweigezeit langsam der Preis sinkt. Was den Kubanern an Geld fehlt, fehlt es uns hierzulande an Zeit... Überhaupt sind Kubaner Weltmeister im Warten und Schlangestehen.

Dies merken wir spätestens am nächsten Tag, als wir uns in den Kopf gesetzt hatten, per Autostopp zum Cayo Jutías zu fahren. Tags zuvor hatten uns alle Kubaner bereits für verrückt erklärt, und umso mehr wollten wir es versucht haben. Autostopp („hacer botella“) funktioniert in Kuba anders, als wir das kennen. Da es in Kuba kein funktionierendes (Nahverkehrs-)transportsystem gibt, ist Autostopp weit verbreitet, gehört zum Verkehr dazu, ist deshalb auch extrem sicher und richtig organisiert. Bei jedem Dorfausgang gibt es einen offiziellen Punkt – genannt El Amarillo - wo sich die Leute einfinden, um auf eine Mitfahrgelegenheit zu warten. Bei diesem Punk arbeitet auch eine Person, welche gelb angezogen ist (daher der Name Los Amarillos) und die Leute auf die anhaltenden Autos verteilt. Zuerst bekommt man also als Wartender eine Nummer zugeteilt (wir bekommen Nr. 55 – 57) und der Amarillo notiert das gewünschte Reiseziel. Dann setzt man sich hin und wartet. Bald finden wir heraus, dass Fahrzeuge mit blauem Nummernschild gesetzlich verpflichtet sind zu halten und Leute mitzunehmen. Blaue Nummernschilder haben die staatlichen Fahrzeuge. Die meisten der eh schon wenigen vorbeifahrenden Autos haben jedoch ein gelbes Schild (Privatautos), ein dunkelrotes (Touristen) oder sind bei blauem Nummernschild bereits voll und halten nicht. Spätestens nach einer Stunde warten, erklären wir uns selber für verrückt – kamen in dieser Zeit doch genau 3 Kubaner der wartenden Horde weg. Immer stärker fühlen wir uns auch am falschen Platz, denn im Unterschied zu uns MÜSSEN die wartenden Kubaner reisen, wir DÜRFEN es, und könnten problemlos auch ein Taxi nehmen oder eine der teuren Touren buchen. Wir haben Autostopp GEWÄHLT, die Kubaner allerdings haben keine andere Wahl. Und so entscheiden wir uns, den Kubanern nicht den Platz wegzunehmen, und versuchen unser Glück hinter dem Amarillo, in der Hoffnung dass vielleicht ein Tourist vorbei kommt, welcher bestimmt nicht beim Amarillo hält (weil er das System gar nicht versteht und wahrscheinlich denkt, die Leute warten auf den Bus...) aber vielleicht andere Touristinnen mitnimmt. Doch auch so haben wir kein Glück, denn mittlerweile sind wir wohl auch schon sehr spät dran. Also muss eine Alternative gesucht werden, und die einzige Alternative ist im Taxi zu fahren. Für uns ist klar: wenn wir schon ein teures Taxi bezahlen, dann wollen wir dieses auch füllen, und wir bitten unseren Taxifahrer, beim Amarillo zu halten (dieser kann dies gar nicht glauben!). Und gross auch das Staunen der Wartenden, dass Touristen halten. Grösser noch, als sie uns wiedererkennen. Wahrscheinlich sind wir in Viñales in die Geschichte der verrücktesten Touristen eingegangen... Die Frau die mit uns bis Santa Lucia (das letzte Dorf vor dem Cayo) mitfährt, sagt, sie hätte etwa 5 Stunden beim Amarillo gewartet... Cayo Jutías dann war Bilderbuch-Karibik pur – weisser Puderzuckerstrand, türkisblaues Meer. Einfach herrlich um die Seele ein bisschen baumeln zu lassen! Auf dem Rückweg vom Strand nehmen wir auch wieder Tramper mit. Eine Frau erzählt uns, dass jemand gestorben sei und sie deshalb fahren muss, denn sie muss die Tiere füttern gehen. Sie war extrem froh, dass wir sie mitgenommen haben, denn wir waren wohl eines der letzten Autos, das noch vorbei kam, es war ja schon bald Abend. Sonst hätte sie erst tags darauf vielleicht fahren können. Vielleicht auch nicht... Die Frau erzählt auch, dass sie nicht viel reist, denn sie hätte Angst vor Autos. Reisen heisst für sie, ins nächste Dorf zu fahren. Wo sie aussteigt, steigt der nächste ein.

So haben wir das später jedenfalls immer gemacht, wann immer wir im Taxi unterwegs waren. Autostopp anders rum sozusagen. I
mmer wieder sind wir damit auf das Unverständnis der Taxifahrer gestossen, doch in einem Land, wo Transport wirklich Mangelware ist, ist jeder freie Sitzplatz in einem Auto eine Schande! Im Bus geht es danach weiter nach Santiago de Cuba, ganz im Osten des Landes gelegen. In Havanna mussten wir umsteigen, und danach ging’s im unbequemsten Nachtbus EVER während 12 unbequemen Stunden nach Santiago. Frühmorgens müssen wir uns hier vor den lauernden Horde wehren, welche uns ein Casa Particular oder Taxi andrehen wollen.

Doch wir brauchen von alldem nichts, denn wir werden in Santiago zum ersten Mal Hospi-Club auf kubanisch ausprobieren. Der Club an sich ist illegal hier, da es verboten ist Leute unterzubringen, wenn man nicht ein offizielles Casa Particular (Bed & Breakfast) hat, und dafür saftige Steuern bezahlt. Der Staat wittert halt überall gleich, dass sich die Leute irgendwie persönlich bereichern könnten, was im Sozialismus verpönt ist. Wie gesagt ist schon die einzige Tatsache verdächtig, dass Kubaner mit Touristen zusammen sind. Jedenfalls holt uns Lianne beim Busterminal ab, sie hat ein Casa für uns organisiert, wo wir zu dritt im Zimmer sein können (auch illegal, wie so vieles in Kuba. Erlaubt sind max. 2 Pax pro Zimmer) und zusammen mit ihr konnten wir auch einen fairen Preis aushandeln. Die Casas in Kuba, das ist eine Geschichte für sich. Von unserer Gastmama in Havanna wurden wir unfreiwillig bereits an ein Casa in Viñales weitergereicht, und ohne es zu wissen wurden wir in Viñales erwartet und abgeholt. Man kann sich kaum dagegen wehren, weitervermittelt zu werden. Das ganze Netzwerk dieser Casa Besitzer finde ich gleichzeitig faszinierend, aber als Reisender ist es auch ganz schön mühsam. Da der Vermittler auch was dabei verdienen will, bezahlt man so meistens schon mal mehr, als man sonst bezahlen würde. Da die Casas auch Steuern bezahlen müssen, wenn sie Mahlzeiten anbieten (was sie eigentlich alle tun), wollen einem die Casa Besitzer auch immer gleich das Nachtessen dazu verkaufen, doch meist assen wir irgendwo billiger auf der Strasse. Jedenfalls ist eine beliebte Strategie zuerst einmal zu fragen OB man das Abendessen will, und auch wenn man NEIN sagt, danach gleich zu fragen, WAS man denn gerne hätte: Fisch oder Fleisch oder Hühnchen... *g* In Viñales wurden wir für die dritte Nacht gar aus dem Haus geworfen, weil wir auf das Abendessen verzichten wollten... Echt unglaublich! Und wie gesagt, 3 Leute in einem Raum ist seit ein paar Jahren illegal. Jedesmal wird betont, dass hier (egal wo man gerade ist) die staatliche Kontrolle viel stärker ist, als anderswo (wo man gerade herkommt), doch schlussendlich konnten wir doch fast überall zu dritt ein Zimmer teilen.
Jedenfalls sind wir in Santiago gelandet, und Lianne hat sich als riesen Schatz entpuppt. Es gibt keine Worte um unsere neue „Mamita“ zu beschreiben. Sie hat uns die Stadt gezeigt, wir sind zusammen mit ihren Freunden und Mizco (ein Kroate, den wir im Nachtbus kennengelernt haben) in den Ausgang gegangen, und dank ihr wurde Santiago für mich
zu einem der schönsten Orte Kubas. Abseits der Touristenpfade hat sie uns im vollgequetschten Camión (ein Lastwagen wo sich Passagiere quetschen) zur Playa Estrella geführt, da wo die Kubaner hinfahren zum Baden. Wir waren wirklich die einzigen Touristen da, genossen die laut aus der Strandbar dröhnende Salsa und Reggaeton-Musik und den Strand und das Meer (obwohl dreckig) mehr als sonst irgendwo und die Mangos hier schmeckten noch besser als immer. Später sagt sie uns, dass dieser Tag für sie so normal war, und dass sie es kaum glauben konnte, dass wir so begeistert davon waren. Doch sie hat uns gerade durch diese „Normalität“ ein Stück Kuba gezeigt, das vielen Touristen verborgen bleibt.

Östlich von Santiago de Cuba liegt die Provinz Guantánamo. Bei uns weckt dieser Name sofort Assoziationen mit der gleichnamigen US-Marinebasis. Diese Provinz war auch namensgebend für das weltbekannte Lied "Guantanamera" (Mädchen aus Guantánamo), ursprünglich ein Gedicht von José Marti, das zur heimlichen Nationalhymne Kubas wurde. In Guantánamo liegt auch Baracoa - unser nächstes Ziel. Baracoa war der erste von den Spaniern auf Kuba gegründete Ort und somit auch lange Hauptstadt der Insel. Heute kann man dies kaum mehr glauben, denn das verschlafene Nest hat mit der heutigen Hauptstadt Havanna kaum Gemeinsamkeiten. Baracoa lieben wir von Anfang an, wir hätten hier wohl Wochen verbringen können. Irgendwie ist Baracoa anders als das restliche Kuba. Die Leute sind relaxter und wir haben viele spezielle Menschen getroffen. Alexej erzählt uns, dass er nächstes Jahr eine Engländerin heiraten werde. Sein Bruder sei bereits in England verheiratet und hätte eine Frau gefunden, die sich bereit erklärt hat, die Zweckehe mit Alexej einzugehen, um ihrem Mann und seinem Bruder einen Gefallen zu tun. Dann treffen wir Yendris, ein Artesano (Kunsthandwerker), Rastafari und (wohl einziger) Kubaner der keinen Alkohol trinkt. Er macht auch Musik und hofft mit seiner Band „Raices Negras“ bald Erfolg zu haben, um so etwas herumzukommen. Erinnert mich irgendwie an den Film Habana Blues – übrigens sehr zu empfehlen der Film. Dann lernen wir noch Erwin kennen, mein Lieblingskubaner überhaupt, und die Deutschen Anna, Udo und Christian.
In Baracoa erlebten wir aber auch die schlimmsten und angsterfülltesten Minuten dieser Reise. Mit den Fahrrädern sind wir zur Playa Duaba gefahren, das Meer ist rau und lädt nicht wirklich zum Schwimmen ein. Zu stark sind die Wellen und die Unterströmung. Doch es ist heiss und wir haben uns auf die Abkühlung gefreut. Und so stürzt sich Christian ins Meer. Danach Rahel. Die zwei haben die allergrösste Mühe, wieder an den Strand zu kommen. Eine Welle nach der anderen drückt sie nach unten. Wenn Uli und ich am Ufer schon Angst hatten, ich kann mir nur vorstellen, dass die zwei wirklich Todesängste ausgestanden haben. Wir mussten zusehen und konnten nichts tun. Doch zum Glück ist es gut ausgegangen, die zwei sind zwar kaputt, aber sie haben’s geschafft!!
Zum Glück kamen wir dann doch noch zum Schwimmen, im gleichnamigen Fluss Duaba...

Als nächstes Ziel steht Holguin auf unserem Plan. Doch dies stellt uns vor ein grosses Problem: nach Holguin fahren keine Touristenbusse. Man müsste offiziell zurück nach Santiago und so einen grossen Umweg fahren. Als Alternative kann man natürlich auch ein teures offizielles Taxi nehmen, ein etwas weniger teures illegales Taxi, oder versuchen, mit den Kubanern im Sammeltaxi erst mal bis Moa zu reisen. Natürlich gefällt uns die letzte Option am besten, und so begeben wir uns zusammen mit Yendris und Erwin zum Terminal der Sammeltaxis. Doch es ist schwierig. Die Fahrer haben Angst gebüsst zu werden, wenn sie uns mitnehmen. Doch wir warten. Und wie immer findet sich eine Lösung – ein Fahrer offeriert uns mitzunehmen. Lange erklärt er uns, was wir bei der Polizeikontrolle zu sagen hätten: wir studieren Tourismus in Havanna an der ELISCA und hätten keinen Studi-Ausweis bekommen, da wir ja Tourismus studieren (wo da die Logik sein soll, haben wir nicht verstanden). Wir sollten auch sagen, der Taxifahrer wollte uns eigentlich nicht mitnehmen, aber wir hätten ihn überredet – was ja so auch stimmt. Und so einigen wir uns auf einen Preis (und dass wir im Falle einer Busse diese bezahlen müssen) und los geht das Abenteuer – oder wie Erwin zu sagen pflegt: „empezó la fiesta!“. Schon bei der Dorfausfahrt aus Baracoa dann die erste Polizeikontrolle. Wir scheinen ja riesen Glück zu haben... Lange verhandelt der Fahrer mit den Polizisten, welche uns schon bald nach dem Pass fragen. Geistesgegenwärtig entfernen wir noch die Touristenkarte aus dem Pass (denn wir sind ja Studenten!), doch wir waren nicht schlau genug, resp. wurden nicht genug vorbereitet. Wären wir Studenten, wäre unser Pass nämlich an der Uni! Und so fliegen wir auf, und dem Fahrer wird eine happige Busse von 750 MN aufgebrummt (30 CUC – wir sind schon fast (aber nur fast!) beim Preis eines illegalen Taxis...). Weiter geht die holperige Fahrt. Schon bald die zweite Polizeikontrolle... Wir versuchen, möglichst unauffällig zu bleiben (schwierig schwierig) doch der Fahrer scheint die Beamten zu kennen und redet sich irgendwie raus, da er ja schon eine Busse gekriegt hätte, obwohl wir ja Studenten seinen. Diesmal haben wir Glück gehabt. Doch es folgt, was folgen muss. Eine dritte Polizeikontrolle (auf einer – würde man nicht gestoppt – etwa zweistündigen Fahrt, Kilometermässig nicht weit, alles Schotterstrasse...) Hier müssen alle aussteigen. Wir warten, der Fahrer diskutiert heftig. Es beginnt zu regnen und wir steigen wieder ein. Unser Fahrer ist noch immer am verhandeln. Es scheint nicht einfach zu sein... Die ganze Warterei scheint aber zum Glück niemanden zu stören, und bald beginnen die Kubaner, die mit uns fahren, Witze zu machen. Uli und ich machen ein paar Fotos im Sammeltaxi, und einer der Kubaner meint, wir sollten die Polizei knipsen, um immer eine Erinnerung an die mühsamen kubanischen Beamten zu haben. Aus Scheiss mache ich das – unauffällig und versteckt, wie ich glaube. Doch ich habe nicht mit den Argusaugen eines Polizisten gerechnet, der sofort zum Taxi kommt, und die Kamera verlangt, welche ich ihm aushändige, nachdem ich in letzter Sekunde noch schnell das Bild gelöscht habe. Bald darauf, wird Erwin herausgepfiffen – der uns noch bis Moa begleitet. Er müsse die Kamera einschalten, denn die Polizisten fanden nicht heraus wie das geht. Erwin stellt sich aus Angst dumm, er wisse auch nicht wie man die Kamera einschaltet. Er wusste nicht, dass ich das Bild noch gelöscht habe. Hätte ich das nicht gemacht, hätte er und wir grössere Probleme bekommen können!! Jedenfalls musste also ich her, um die Kamera einzuschalten. Was ich natürlich mache, und den Beamten erkläre, es müsste ja das letzte Bild sein, doch sie verstehen das irgendwie nicht, oder wollen es nicht verstehen, und so schaut sich der Polizist alle meine mittlerweile etwa 300 Bilder durch. Viele kommentiert er: Ah, das Capitolio in Havanna! Wo ist das? – ah Viñales, schön..., Santiago... Es scheint ihm Spass zu machen, Fotos zu sehen, von Orten, wo er wahrscheinlich selber noch nie war... Dann noch die obligate Frage: Was machst du in Kuba? Ich studiere Tourismus. Wo? In Havanna. Wo da? Im ELISCA. ... Uff... geschafft... Meine Aussage und die des Taxistas stimmen überein, und so dürfen wir ohne Busse weiterfahren. Naja, fast... denn gebüsst wird Erwin, weil er mit uns zusammen unterwegs ist. Retten kann man Kubaner nur, wenn man sagt man sei ihre „novia“, was ich auch tat. Doch da wir unsere „Beziehung“ natürlich nicht registriert hatten und keinen offiziellen Zettel haben, der beglaubigt dass wir Freund und Freundin sind, kennen sie keine Gnade und Erwin muss bezahlen... Que locura!!

Endlich, endlich können wir bis nach Moa durchfahren. Moa ist eine Industriestadt, dominiert vom Nickelbergbau, welcher die Natur in der Umgebung stark beeinträchtigt. Halden prägen das Bild um Moa und rauchende und stinkende Fabriken. Diese hätte Che höchstpersönlich eingeweiht, erklärt uns Erwin, und scheint darauf fast ein bisschen stolz zu sein. Gut habe ich hier kein Foto gemacht – denn wie ich später lese ist das Fotografieren der Umweltschäden unter dem Verweis auf Industriespionage ebenfalls verboten...
Hier in Moa verabschieden wir uns von Erwin, wo wir ein halb-legales Taxi nach Holguin organisieren und er seine Tante besucht.

In Holguin wollten wir uns mit Gerardo treffen, vom HC, doch wir verpassen uns, und so fahren wir nach einer kurzen Stadtbesichtigung am nächsten Tag weiter nach Bayamo – im Taxi, welches gleich teuer ist wie der Bus, und wo wir so noch ein paar Stöppler mitnehmen können. In Bayamo treffen wir Giraldo, vom HC. Er organisiert ein wirklich billiges, dafür illegales und schäbiges Zimmer für uns. Es ist offensichtlich, wofür dieses Zimmer normalerweise gebraucht wird – der grosse Spiegel über dem Bett lässt keine Zweifel ;^) Als sich Hunger meldet führt uns Giral in ein kleines Fast-Food Restaurant wo es für nationale Pesos Hamburger gibt. Nur ist Hamburger hier nicht unbedingt Fast-Food, weil die Kubaner ja viel Zeit haben, gibt es so was wie Fast-Food hier gar nicht gibt. Zum Burger gibt es trinkbares Joghurt, und ein Glas Leitungswasser, welches Giral stehen lässt, und - nachdem wir unseres getrunken haben - meint, er trinke das nicht, es sei nicht abgekocht... Tja...

Am nächsten Tag geht es mit dem von Giral organisierten illegalen Taxi in die Sierra Maestra. Wir werden unterwegs von der Polizei gestoppt und müssen umkehren. Beinahe muss Giral auch noch eine Busse bezahlen. Vorwurf der gleiche wie an alle Kubaner, die sich mit Touristen blicken lassen: er sein ein Jinetero. Unvergesslich, wie er über Gastfreundschaft erzählt und versucht den Beamten den Hospi-Club näher zu bringen! Er schafft es, keine Busse zu bekommen und wir kehren um. Wieder ist warten angesagt, bis ein legales Taxi vorbei kommt und uns das letzte Stück zum Nationalpark mitnimmt. Hier in der Sierra Maestra ist es eigentlich illegal Fotos zu machen, weil da noch die „militärischen Einrichtungen“ der Guerrilla aus der Revolution zu sehen sind. Wir haben schliesslich auch Fidels Hütte und sein Klohäuschen gesehen, und im Museum einen Kuli, den er benutzt hat!! *boah* Aber man darf jetzt eben doch Fotos machen, wenn man dafür bezahlt... Die Natur ist schön hier, und irgendwie verstehe ich die Guerrilleros. Muss echt abenteuerlich gewesen sein, hier sich zu verstecken und zu leben...


Im Nachtbus (diesmal bequem und mit viel Platz – aber dafür wegen A/C viel zu kalt!) fahren wir weiter nach Trinidad – unsere letzte Station. Eine echt schöne und dank UNESCO auch restaurierte Kolonialstadt am Meer.



„Todos al desfile“, haben wir schon überall im Land gelesen, und so gehen wir da auch hin, zum 1.Mai-Umzug. Friedlich geht es zu und her. Die Leute feiern ausgelassen, wie bei uns an der Streetparade fahren geschmückte Trucks mit (statt mit glitzer-bunten Dekos allerdings mit Fotos von Fidel, Raúl oder den 5 Helden oder mit der Kubanischen Fahne). Manche Personen machen Musik und gehen tanzend durch die Strassen, andernorts dröhnt die Musik von den Trucks. Die 1.Mai-Rede ging dann etwa so: „Viva el 1 de Mayo“ dann Salsa „Viva la Revolución“ wieder Salsa „Viva Fidel“ ...Reggaeton... und so weiter....

Musik... In Trinidad habe ich auch mein persönliches Musik- und Tanz-Mekka in Kuba gefunden. Nirgends sonst habe ich so viele gute Tänzer auf einem Fleck getroffen. Und so tanzen wir täglich vor dem Casa de la Musica, wo die Live Bands aufspielen. Einfach genial!!


Neben Stadt und Strand wollen wir uns hier auch das Valle de los Ingenios ansehen, in erster Linie auch, weil wir da mit dem Zug hinfahren wollen. Doch dummerweise ist der gerade kaputt, was wir erfahren als wir beim Bahnhof ankommen. Also wieder mal eine Taxifahrt... Das Valle und seine alten Zuckerfarmen sind extrem touristisch, doch wir wagen uns ein paar Meter aus der „Touristenzone“ und sind direkt im richtigen Kuba. Hier wohnen die Leute in einfachsten Verhältnissen. Wir treffen Hector, der uns bittet ein Foto von ihm zu machen. Als Gegenleistung holt er uns frische Mangos direkt vom Baum... *mh* Weil es wirklich heiss ist, bittet uns seine Mutter zum Essen der Früchte in ihr Haus. Das Haus von der alten Guillermita ist klein und einfach. Ein paar Stühle, ein Tisch, ein Bett. Die Küche befindet sich in einer separaten Hütte. Der einzig moderne Gegenstand in der Küche: eine Arrozera, ein Reiskocher. Triumph der Revolution??


Die Reise geht langsam aber sicher dem Ende zu. Eine letzte Fahrt trennt uns noch von Havanna. Wir haben in Trinidad einen Exilkubaner aus England kennengelernt, der jetzt zu Besuch bei seinen Verwandten ist. Da er sowieso nach Havanna muss, um seinen Mietwagen zu tauschen, können wir mit ihm fahren. Auch er hat geheiratet um weg zu kommen. Drei Jahre musste die Ehe halten. Jetzt ist er Engländer, geschieden und hinterlässt eine in ihn verliebte Ex-Frau... Angeblich wusste sie von Anfang an, dass es nur drei Jahre sein werden... Tja...


Leicht war das Einreisen, umso mühsamer die Fragerei bei der Ausreise: Quitese el sombrero! - starrer Blick auf mich, langer Blick auf meinen Pass... Dónde aprendió el Español? Estaba viviendo en otro país? Era su primera vez en Cuba?... Kritischer Blick... Dann endlich darf ich durch!


Fazit:
Wir haben in Kuba gelacht, wir haben in Kuba geweint, uns gefreut, genervt und liebe und weniger liebe Menschen kennengelernt. Kuba ist wirklich anders, anders auch als das restliche Lateinamerika. Doch vieles ist eben auch gleich, auch hier wollen die Leute in die USA oder nach Europa, auch hier sahen wir Leute in Kartons auf der Strasse schlafen (wenn auch nicht so viele wie anderswo), auch hier gibt es Armut, auch hier wird gebettelt... Vieles ist illegal und einfachste Dinge können zum Abenteuer werden. Nach drei Wochen Kuba trete ich die Rückreise mit sehr gemischten Gefühlen an. Noch nie habe ich so viele Gegensätze, so viel Unlogisches und Unverständliches so intensiv und konzentriert erfahren wie hier. Kuba ist eben anders, bittersüss wie sein Mojito.