Dienstag, 16. Oktober 2007

It's not all you need, it's all you want! (Al Ain, UAE)

Doppeltes Glück habe ich einmal mehr. Trotz Ramadan-Ende noch Platz auf dem Flieger zum Agenten Special Tarif und obwohl ich meinen Zug verpasse und per Autostopp zum Flughafen Zürich gelangen muss, sind wir (Annia & ich) auf dem Weg nach Dubai!

Am Flughafen in Dubai angekommen werden wir von Amin erwartet. Er ist der Bruder von Yasin vom Hospitality Club, welcher sich bereit erklärt hat, uns diese 4 Nächte aufzunehmen. Wir hatten die Wahl: entweder kriegen wir die Schlüssel für sein Appartement in Dubai oder wir reisen gemeinsam mit ihm nach Al Ain zu seiner Familie um Eid, das Ende des Ramadans zu feiern. Feiern tönt immer gut, besser, wenn man so auch einiges über eine fremde Kultur und Religion dazulernen kann, und so sind wir bald auf dem Weg auf der Wüstenautobahn nach Al Ain.

Am Horizont taucht Burj Dubai auf, das zukünftig höchste Gebäude der Welt, welches hier aus dem Boden schiesst. Bereits schon mehr als 500 Meter hoch bleibt seine endgültige Höhe bis zur Fertigstellung noch ein Geheimnis. Überhaupt ist Dubai momentan eine einzige Baustelle. Es entsteht ein Manhattan der Wüste, meint Amin. Da bereits in 16 Jahren die Erdölquellen versiegen werden setze man hier jetzt auf Tourismus und es wird gebaut was das Zeug hält...

Mehr und mehr entfernen wir uns von der Stadt. Links und rechts der sechs-spurigen Autobahn jetzt nur noch ein Streifen grün (künstlich bewässert), dahinter Sand bis zum Horizont... Erst noch hellbraun, je weiter Richtung Al Ain wir kommen umso röter färben sich die Dünen. Die Färbung hängt mit der Temperatur und der Sonne zusammen, meint Amin. A propos Temperatur: es ist 39°C heiss, resp. kühl, gemäss unserem Gastgeber, denn noch vor wenigen Monaten stiegen die Temperaturen hier auf 50°C!

Einen ersten Stopp legen wir bei der grössten "Dairy Farm" des Landes ein. Der Milchladen hat 24 Stunden geöffnet hier und verkauft frische Milchprodukte.
"Ihr seit in Dubai, dann müsst ihr Kamelmilch probieren", meint Amin und deckt uns auch gleich für die nächsten paar Tage damit ein. Die Milch schmeckt erst komisch, ungewohnt halt. Etwas herb und salzig, aber eigentlich nicht schlecht.
Erstaunt bemerken wir, dass Amin keine Kamelmilch trinkt, sondern normale Milch. Darauf angesprochen antwortet er augenzwinkernd, das sei nicht gut für ihn. Kamelmilch sei ein Aphrodisiaka, mache Männer heiss und dummerweise hätte er keine Frau, die auf ihn warte.... Tja... Wir zwei merken jedenfalls nichts von dieser Wirkung.

Nach ca. 1 ½ Stunden treffen wir in Al Ain ein. Wir lernen später, dass die Strecke auch in 45 Minuten zu bewältigen ist, je nachdem ob man nur mit 120 kmh oder 160 kmh fährt. Al Ain liegt im Emirat Abu Dhabi, es ist eine Oasenstadt und wird daher umgangsprachlich auch Gartenstadt genannt. Nirgendwo sonst gibt es in den Emiraten angeblich so viele Grünflächen. Es wird auch sichtlich viel Aufwand betrieben, die Anlagen zu pflegen. Aus Al Ain stammen mehrere ehemalige Herrscher, und so wohnt Amins und Yasins Familie in direkter Nachbarschaft eines Prinzen. Von dessen Anwesen sehen wir nur hunderte von Meter lange Mauern...

Amin und Yasins Familie wohnt etwa zu zehnt in einem grossen Haus. Die Familienmitglieder sind: Taher (der älteste Bruder), Yasin, Amin, Schwester Sofia, die Frau von Taher, die Frau von Yasin (welche uns nicht mit Namen, sondern als "Frau von Taher" und "Frau von Yasin" vorgestellt werden), Leila, die Angestellte, die Kinder von Yasin und Taher und dann noch ihre Mutter. Ein echter Dreigenerationen-Haushalt also. Wir haben keine arabischen Gastgeber, die Familie stammt aus Pakistan. Daher kleiden sich die Frauen auch nicht schwarz mit Kopftuch. Ihre traditionelle Kleidung ist bunt und statt Kopftuch tragen sie einen Schal um die Schultern.
Zur Begrüssung, und die kommenden Tage jeden Morgen, streichelt uns Oma übers Haar und tätschelt unseren Arm. Zudem labbert sie uns voll, in Urdu oder Punjabi. So genau wissen wir das nicht, jedenfalls verstehen wir anfangs kein Wort. Mit der Zeit lernen wir allerdings sie etwas zu verstehen, mit Händen und Füssen!

Yasin und seine Brüder kümmern sich total lieb um uns. Sie chauffieren uns dahin, wo wir wollen und Amin begleitet uns sogar mit viel Geduld beim Shopping im Chinese Mall und erweist sich zudem als hilfreich, wenn es ums Verhandeln der Preise auf dem Souk geht. Arabisch sollte man können!
Nur ein Problem haben wir: Yasins Familie hat ein gutes Geschäft entdeckt: Klimaanlagen! Das Familienunternehmen ist mittlerweile sehr gross. Man exportiert auch nach Europa und Afrika. So wurde Geld angehäuft, so viel, dass wir kämpfen müssen, unsere Einkäufe selber zu finanzieren. "Es kostet uns nichts, wir freuen uns, Euch eine Freude machen zu können", heisst es dann. Trotzdem, so finden wir, haben wir auch unser eigenes Geld, und es reicht, dass wir schon immer zum Essen, Shisha rauchen etc etc eingeladen werden...!!

So verbingen wir auch viel Zeit, ganz Eva-untypisch, in schicken Restaurants, Malls und besuchen sogar eine Belly Dance Show in einem Viersternehotel! (wo wir auch unser teuerstes Stück Wassermelone verdrücken) Vielleicht gehört das halt zu Dubai auch einfach dazu, Luxus pur, soviel wie es nur geht. Passend der Werbespruch eines Bauunternehmens: "It's not all you need, it's all you want"

Unseren Kurzurlaub in Dubai verbringen wir so bei lieben Leuten, und machen eigentlich nicht viel mehr, ausser Shoppen, Baden im Meer, Relaxen und einen kleinen Abstecher in die Dünen, wo wir es allerdings aufgrund der Hitze und des glühend heissen Sandes nicht lange aushalten!

Wir besuchen auch den lokalen Kamelmarkt in Al Ain. Und werden dort bald zur grösseren Attraktion, als es die Kamele sind. Kaum aus dem Auto gestiegen sind wir schon umringt von den arabischen Kamelhändlern, die uns am Arm packen und zu ihren Kamelen zerren. Wir müssen mit ihnen für Fotos posieren. Wohlgemerkt nicht für unsere Kameras! Schnell zücken sie auch ihre Handys um Fotos mit uns zu knipsen. Es wird ganz schön eng im Kamelgehege, umringt von Arabern und Kamelen. Wir haben jedenfalls unseren Spass, aber sind doch froh, Yasin und Taher dabei zu haben. Sonst wären wir so schnell nicht wieder da weg gekommen!

Al Ain befindet sich an der Grenze zum Sultanat Oman, und so machen wir mit Amin, nach der Rückfahrt von Dubai nach Al Ain auch einmal einen spontanen, mitternächtlichen Ausflug ins Nachbarland. Die Staatsgrenze teilt die Stadt. Auf der omanischen Seite heisst die Grenzstadt Al Buraimi. Die Grenze ist durch einen hohen Zaun markiert der mit Stacheldraht-Rollen verstärkt ist. Kilometerlang erstreckt sich der Zaun der Grenze entlang. Und ich dachte immer, die Amis sind die einzigen Spinner, die sowas machen... Nach dem Grenzposten ändert sich auch gleich das Bild, resp. das Fahrgefühl. Eben noch auf perfekt asphaltierten Strassen unterwegs geht es nun auf einer holprigen Piste weiter. Überhaupt sei Oman ein armes Land, zumindest wenn man es mit den Emiraten vergleicht. Das bringt Vorteile für die Bewohner Al Ains mit sich, denn hier floriert auch der Schwarzmarkt für piratierte Software und auch sonst ist einiges günstiger zu haben hier, als drüben.
Dem Zaun nach zu urteilen gibt es wohl auch viele Leute, die versuchen illegal in die UAE einzureisen...
Wir besichtigen in Al Buraimi eine schöne Moschee, bevor wir zurück nach Al Ain fahren und ins Bett fallen.

Hospitality Club bedeutet aber nicht nur gratis Unterkunft, gratis herumchauffiert werden oder zum essen eingeladen werden, es bedeutet auch ein echter kultureller Austausch inklusive der damit verbundenen Diskussionen über kulturelle Unterschiede.
Sofia wartet darauf, dass ihre Brüder oder ihre Mutter einen zukünftigen Ehemann für sie findet. Leider, so findet sie, ist sie zu dick. Um heiraten zu können müsse man schön schlank sein, so wie z.B. ich. Was Annia mache, um abzunehmen, war eine der ersten Fragen die sie uns gestellt hatte als wir das Haus betreten. Als Annia später erklärt, sie hätte noch nie Probleme gehabt einen Mann zu finden ist Sofia erstaunt. Denn: Annia ist nicht verheiratet und hat doch schon Männer gehabt? Unverständlich.
"Dann könnt ihr also mit einem Mann zusammen sein und ihn nachher einfach wegwerfen und einen neuen nehmen wenn ihr wollt?" Gleichzeitig ist Sofia fasziniert, wie auch schockiert, über unsere Kultur. Als wir Sofia sagen, in der Schweiz fände Sie bestimmt schnell einen Mann (denn sie ist wirklich sehr hübsch!) meint sie: "...aber meint der es dann auch ernst? Wenn er eine neue sieht kann er ja einfach gehen..."
Auch mit Taher unterhalten wir uns über Heirat. In der Schweiz gäbe es nur Love Marriages und keine Arranged Marriage, erzählen wir. Er hätte gehört, man könne auch zusammen leben, ohne verheiratet zu sein. Stimmt. Und so diskutieren wir auch über registrierte Partnerschaften unter Homosexuellen. Ein heikles Thema. Doch wir akzeptieren seine Meinung genau so, wie er die unsere akzeptiert.

Wir hatten hier ja selbst zuerst einmal zu erklären dass wir zwei nicht auch homosexuell sind. Es ist ja schon verdächtig, als Frauen gemeinsam zu zweit und ohne männliche Begleitung zu reisen. Als wir dann auch noch bemerken wir könnten problemlos auch ein Bett teilen, wir hätten auch schon in kleineren Betten gemeinsam geschlafen war für sie der Fall klar dass wir lesbisch sein müssen! Tja, andere Länder andere Sitten. Die männlichen Araber spazieren hier dafür händchenhaltend durch die Strassen - was für sie bloss Ausdruck von Freundschaft ist.

Und a propos Homos. Homos (sprich Humus) wird hier zur Leibspeise von Annia: Kichererbsenpaste. Scheckt ganz hervorragend zu unserem Standardessen: Shish Tabuk, Fattouch und Tabouleh.

Als Abschied erhalten wir von Oma Stoff. Damit wir uns ein typisch pakistanisches Kleid nähen können. Wahrscheinlich, damit wir endlich auch mal was richtiges zum Anziehen haben!

Viel zu kurz war der Trip. "Minimum ten days, minimum ten days" - betont auch Taher immer wieder, braucht es für UAE. Er will sogar meine Chefin anrufen und mit ihr sprechen, damit ich länger bleiben kann....
Doch vielleicht gibt es ja wieder mal ein Agent Special. Oder wir lassen uns von Taher einladen. So meint er auf dem Weg zum Flughafen er hätte noch genug Meilen bei der Emirates...