Samstag, 13. März 2010

Fotos Indien

Indien

Erste Streifzüge durch Delhi (Delhi, Indien)

Ich spaziere vom Roten Fort zur grossen Moschee Jamia Masijd und kämpfe mich durch das Gewusel aus Rikschas, Autos, Fussgängern, Hunden, Bussen, und lotterige Pferde- und Handkarren. Lärm, Dreck und Chaos prägen das Bild der Stadt. Es herrscht das Gesetz des Stärkeren, und so wird die einfache Aufgabe eine Strasse zu überqueren hier zu einer grossen Herausforderung. Ich mache es wie die Inder und laufe langsam, nicht rennend, los - herzklopfend und mit einer vorgespielten Gelassenheit wohl, doch tatsächlich kurven alle Fahrzeuge stinkend und hupend geschickt an mir vorbei.
In den Gassen von Old Delhi riecht es mal wohltuend nach Räucherstäbchen und Gewürzen, oder verführerisch nach Chai-Tee, dann nach vergammeltem Müll, Kot und Abgasen. Über mir hängt ein Gewirr aus Elektrokabeln und Telefonleitungen, am Boden bahnt sich robbend und in verrissenen Kleidern ein mausarmer Krüppel seinen Weg und vor mir glitzert das Gold, Silber und die Steine in den Schaufenstern der Juweliergeschäfte. Es vergeht denn auch keine Minute, in der mir niemand etwas verkaufen will. Es werden Schmuck, Saris und Esswaren angepriesen. Die Verkäufer verfolgen einen regelrecht, und obwohl ich einfach weitergehe, darf ich mir jeweils trotzdem das ganze Sortiment des Verkäufers anhören, es könnte ja sein, dass ich doch irgendetwas kaufen will. „Madam, silk scarf, madam, nice cotton trouser, very good price, Indian price my friend, eighty rupies only, wanna buy Punjabi dress? Saree?... Madam... Madam?? Come, see my shop! Wanna look? Looking no money, m'am. Madam? Madaaaam? No, M'am?...“
Es wäre nicht Indien, das Land der Gegensätze, wenn sich inmitten dieser Hektik nicht auch irgendwo ein bisschen Ruhe finden liesse. Auch im 12-Millionen Ungetüm Delhi findet man inbrünstige Religiosität und Spiritualität an jeder Ecke, und so gibt es auch in Delhi eine Menge Tempel, Oasen der Ruhe, der verschiedenen Religionen.
Ein grosses Hakenkreuz ziert den Eingang zum Tempelgelände der Jain. Dieses hierzulande verpönte „rassistische“ Symbol, ist hier allgegenwärtig. Swastika ist Sanskrit und bedeutet etwa „das Heilbringende“, ein Symbol für Wissen, Glück, Wohlstand und Erfolg. Der Jain Tempel ist leider gerade geschlossen, doch findet sich auf dem Gelände auch ein Vogelkrankenhaus, wo invalide Tauben gesund gepflegt werden. Es repräsentiert das oberste Gebot der Jain Anhänger, den Respekt aller Lebewesen. So leben Jains streng vegan, und wer denkt, mundschutztragende Inder würden dies wegen dem Smog oder drohender Schweinegrippewelle tun der irrt. Wahrscheinlich gehört derjenige der Jain Religion an und trägt den Mundschutz um nicht versehentlich ein Insekt zu verschlucken (und zu töten). Um das Tempelgelände zu besuchen, müssen denn nicht nur wie üblich die Schuhe draussen bleiben, sondern es darf auch kein Leder (z.B. Gürtel, Tasche) getragen werden.
Weiter zu den Baha'i, deren Tempel aus Marmor die Form einer Lotusblüte hat, und aussieht wie eine Mischung aus dem Opernhaus von Sydney und einem UFO. Hunderte Menschen stehen Schlange um eingelassen zu werden. Im Andachtsraum, eine lichte, grosse Halle, ohne Altar oder ähnlichem, in dem striktes Sprechverbot herrscht und auch keine religiösen Zeremonien oder Predigten stattfinden dürfen, sind Menschen aller Religionen und Rassen willkommen. Nur zu stiller Andacht und Gebet wird hier eingeladen – zu welchem Gott auch immer. Die Baha'i sind nämlich der Meinung, dass alle Religionen eigentlich ein und den selben Gott verehren. Die Grundsätze, die die Einheit der Menschen fordern, die Gleichberechtigung aller Menschen und den Weltfrieden, hören sich gut an, auch Auffassung von Baha’u-Illah: „Es rühme sich nicht, wer sein Vaterland liebt, sondern wer die ganze Welt liebt. Die Erde ist nur ein Land, und alle Menschen sind seine Bürger.“ Wenn das nur alle so sähen... Draussen treffe ich Sheela, Bahai Anhängerin aus dem Iran. Sie erzählt unverständig, wie in ihrem Heimatland, dem Ursprungsland auch der Bahai Religion, die Anhänger eben dieser Religion noch heute verfolgt werden, "obwohl wir doch auch an den gleichen Gott glauben".
Anschliessend führt mich meine Tour der Religionen zu einem Tempel der Sikhs. Im Inneren des Tempels, den ich betrete, nachdem ich meine Schuhe ausgezogen, meine Hände und Füsse gewaschen und mein Halstuch über den Kopf gelegt habe, knien Männer im Turban und bunt verschleierte Frauen nieder zum Gebet. Sikhs dürfen sich die Haare nicht schneiden, und so verschwinden sie unter dem Turban. Ein Priester macht irgend eine Zeremonie, von der ich noch das Ende sehe, und irgendwo blinkt wie in einem Spielcasino abwechselnd in rotem und blauem Neonlicht das Schriftzeichen Om, dieses mystisches Symbol für göttliche Energie. Eine dreiköpfige Band spielt Musik, die wie eine Mischung aus dem Gebetsgesang eines Muezzins und einer Schnulze aus einem Bollywood Song klingt. Ich geniesse den Moment total, komme etwas zur Ruhe und habe zum ersten Mal das Gefühl, dass nun nicht nur mein Körper sondern auch meine Seele in Indien angekommen ist.