Und ganz nach diesem Motto kriechen wir den Berg hinunter. Die Umgebung ist erst von karger Bergvegetation mit Lagunen und Adobehauschen gepraegt, dann geht es vom trockenen Klima des subandinen Hochtals ins tropische Tiefland des Chapare hinunter. Links und rechts neben der Strasse wird es nun immer gruener, bis die letzten Auslaeufer der Anden hinter uns verschwinden und die Luft heiss und feucht wird.
Nach etwa 5 Stunden erreichen wir Villa Tunari. Hier endet fuer die meisten Touristen der Ausflug ins Chapare, eines der wichtigsten Koka-Anbaugebiete des Landes. Ich hingegen bin auf dem Weg nach Sanandita, einem Dorf der Yuracare-Indios, einem Indianerstamm im Amazonasgebiet Boliviens. Wir passieren einen Militaerkontrollposten ausgangs Villa Tunari. “Crime Scene, Do not cross”, steht auf dem Band, vor dem Kontrollposten, und « Wasser ist Leben. Lass nicht zu, dass sie unsere Fluesse verschmutzen. Sag nein zu Drogen und Drogenhandel », steht auf einem Schild. Dementsprechend wird auch unser Bus von den Soldaten durchsucht. Es koennte ja sein, dass jemand Drogen dabei hat, oder Chemikalien, die fuer die Kokainproduktion verwendet werden koennten, und eben die Fluesse verschmutzen. Auf einer holprigen Piste geht es von hier weiter nach San Gabriel, dem letzten Kaff vor dem Nationalpark und Indianerreservat Isiboro Secure, wo die Yuracare wohnen, die ich besuchen werde. Je weiter wir kommen, desto groesser die Kokafelder am Wegesrand. Einfache Hauser aus Brettern saeumen die Strasse. Doch arm sind die Leute hier nicht. Davor stehen teils moderne Autos, und auch die Satellitenschuesseln fehlen nicht. Koka muss halt ein gutes Geschaeft sein! Und Koka gedeiht hier wunderbar.
Dies ist auch einer der Gruende, weshalb die Yuracare immer weiter zurueck gedraengt werden in den Dschungel. Kolonisierende Kokabauern, vorwiegend Quechua und Aymara aus dem Hochland, dringen weiter vor in ihr Stammesgebiet. Die Siedler zurueckzudraengen ist kaum moeglich, ohne Unterstuetzung in der Regierung. Es bleibt nur die Flucht weiter hinein in den Dschungel.
Und da fahre ich hin! Im Sammeltaxi, zu zwoelft (!!) eingequetscht in einem normalen PkW, gelangen wir zur Bootsanlagestelle am Rio Isiboro. Von hier sind es noch knapp 30min flussabwaerts im Einbaumkanu. Die Gesandten der Gemeinde warten schon auf uns. Bei Abenddaemmerung erreichen wir Sanandita. Bis ich die Besucherhuette erreiche ist es dunkel. Bald ist nur noch das Funkeln der Sterne und Blinken der Gluehwuermchen zu sehen…
Die naechsten Tage verbringe ich mit Don Humberto und seiner Familie. Ich koche mit seiner Frau mit Wasser aus dem Fluss, spiele mit dem kleinen Guido stundenlang mit der einzigen Murmel die er besitzt oder den zwei kaputten Spielzeugautos, besuche Nachbarn und werde von ihnen zum Chicha-Trinken eingeladen. Ich fische Piranhas, und spiele “Fischen” mit den Kindern im Fluss. So wird hier unser “Fangis” genannt. Es ist gar nicht so einfach, im braunen Flusswasser sind die flinken Kinder schnell weggetaucht, und tauchen dann ploetzlich hinter dem naechsten Kanu auf. Ich, von den Kindern liebevoll Gringita genannt, hingegen bin ein leichtes Fressen fuer den jeweiligen “Fischer”. Ich lerne von Kleinkindern auch, wie man ein Einbaumkanu lenkt. Das koennen sie hier naemlich schon, bevor sie schwimmen koennen. Man erklaert mir auch mit einer Selbstverstaendlichkeit, welche Beeren man essen kann und welche giftig sind, oder welche Pflanzen zum Faerben von Tuechern verwendet werden koennen. Mein gruenes T-Shirt wird dabei zum Opfer einer Demonstration. Ein violetter Fleck wird mich jetzt noch lange daran erinnern! ;) Zwei Jungs demonstrieren, wie man mit Pfeil und Bogen die Fische faengt, die sich am Grund der Lagune tummeln, und abends gehen wir auf Kaimanpirsch…
Ich lerne aber auch, wann Koka reif ist zum Pfluecken und helfe beim Ausbreiten der Blaetter zum Trocknen an der Sonne. Denn auch die Yuracare leben heute nicht mehr bloss vom Jagen und Sammeln, sondern brauchen alternative Einnahmequellen, und Koka laesst sich halt gut in San Gabriel verkaufen...
Der Tourismus soll als Alternative zum Kokaanbau dienen, aber vor allem auch, den Yuracare eine Stimme verschaffen. Wenn auf der einen Seite die Siedler die Yuracare diskriminieren, sie sogar dazu bringen wollen Quechua zu lernen, und die Regierung das Volk vergisst, koennen Touristen helfen sie in ihrer Identitaet zu staerken…
Sanandita |
1 Kommentar:
Hola Evita. Ich finde es einfach Wahnsinn, was du erlebst!!!!!!!!!!!!! Und total bewundernswert, dass du bei den ganzen einmaligen Eindrücken immer noch fleissig Berichte online stellst. Macht mir glatt ein schlechtes Gewissen, denn ich bin ja nicht mal annäherungsweise so schreibsam. ;) Warte schon voller Spannung auf deinen nächsten unglaublichen und eindrücklichen Eintrag! Take care! BESITOS
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