"Are you sure you want to get off in this Barangay?", fragt mich der Busbegleiter noch einmal, bevor ich den Bus aus Manila in Talobatib verlasse. Kein Wunder: Talobatib ist kaum mehr als ein Weiler, ein kleines Nest an einer Strassenkreuzung. Aus den fragenden Blicken der Dorfbevoelkerung schliesse ich dann auch, dass hier wohl noch nicht viele Touristen aus dem Bus gestiegen sind...
Ich muss nicht lange an der Kreuzung warten, bis ein lottriger Lokalbus vorbei kommt, der nach Paracale faehrt. Es geht vorbei an ausgedehnten Reisfeldern. Die meisten davon sind bereits abgeaerntet und schlammig braun. In anderen ziehen Wasserbueffel Pfluege hinter sich her und in schon gereinigten Feldern, reflektiert das die Felder bedeckende spiegelglatte Wasser die die Felder umgebenden Palmenhaine. In ein paar vereinzelten Feldern werden bereits wieder die neuen Reispflaenzchen herangezuechtet und die kleinen Felder strahlen im frischen knalligen Gruen des jungen Reises. Immer wieder stoppt der Bus, es steigen Leute ein und aus. Immer wieder von neuem staunenden Blicke. Nach weniger als einer Stunde erreichen wir Paracale, das Fischerdorf, das nicht einmal ganz so klein wie erwartet ist. Ohne gross einen Plan zu haben schlendere ich herum, zum Hafen, wieder zurueck und frage dann ein paar vor einem Shop sitzende Frauen nach den Booten nach Calaguas. Nein, heute fahre sicher keines mehr, heisst es. Es ist zu spaet. Und morgen gibt es wahrscheinlich auch kein Passagierboot in das Doerfchen auf der Insel. Aber es lasse sich sicher ein Fischerboot auftreiben, das mich uebersetzen kann, wenn ich dies denn wirklich wolle: das Meer sei rauh, und auf der Insel gaebe es schliesslich kein Strom, kein Internetzugriff, kein Handyempfang! Und ich haette ja sicher mein Laptop dabei, den koenne ich dort ja gar nicht brauchen... :) Ob ich denn wirklich da hin wolle? Und wieso? Immer mehr Leute scharen sich um mich, Kinder vor allem, und kichernde Teenies, aber auch ein paar der Dorfaeltesten, welche bald anfangen, mich in Englisch auszufragen und meine Antworten dann in Philippino der neugierigen Horde wiedergeben. Woher? Wohin? Wieso? Immer wieder wiederholt der Alte meinen Namen, und "Switzerland", wenn neue Neugierige dazu stossen. Bald wird laut diskutiert, und jeder scheint alles besser zu wissen. Worum es genau geht kann ich nur erahnen, wenn das Wort "bangka" (Boot) faellt, und Zahlen in Englisch oder Spanisch (Philippinos brauchen fuer Zahlen meist die Englischen oder Spanischen Bezeichnungen). Dora, eine der Frauen die ich urspruenglich angesprochen hatte, fordert nun die Menschenmenge auf, zu verschwinden, und fuehrt mich zum einzigen Hotel des Dorfes, welches sich erstaunlicherweise als ein richtiges, kleines, in die Jahre gekommenes Resort (mit Pool!) am Rande von Paracale entpuppt. Schnell wird ein Zimmer geputzt und vorbereitet, bis dann Marvin, der Neffe von Dora, Einspruch erhebt und meint, ich wuerde doch besser irgendwo im Dorf wohnen, hier draussen waere ich so alleine nachts, weil keine anderen Gaeste da sind. Also fuehrt mich die Hotelbesitzerin dann zu ihrem Haus im Zentrum, wo ich gleich ein ganzes Stockwerk bewohnen darf. Von nun an kuemmern sich Dora, Marvin und die ganze Familie total lieb um mich. Ich werde von Monique, Marvins Schwester, und einer Cousine zum Nachtessen begleitet. ...verfolgt von einer Horde Kinder, welche immer wieder "Amercano, what's your name? Amercano!!" rufen.
Am naechsten Morgen werde ich von Dora geweckt und zum Haus der Familie gebracht, wo mir nun auch Mario, Marvins Vater, vorgestellt wird. Mario werde mir helfen, ein Boot zu finden und einen fairen Preis auszuhandeln, und wird zum Hafen losgeschickt. In der Zwischenzeit mache ich mich mit Monique auf Einkaufstour: Auf der Insel gibt es nichts zu kaufen, ich muss Wasser und mein Essen mitbringen. Als ich zurueck komme ist ein Fischer mit Boot gefunden, der sich bereit erklaert hat mich zum Mahabang Buhangin, dem "Long Beach" der Insel zu bringen. Mahagang Buhangin, so heisst es, sei so schoen wie der "White Beach" von Boracay, der wohl touristischsten Insel des Landes, voller Resorts und Rambazamba. Auf der Tinaga Insel, die zur Gruppe der Calaguas Inseln gehoert, gibt es hingegen weder touristische Infrastruktur, noch Bars, noch Horden von Menschen. Kein Wunder: die Insel hat noch nicht einmal den Weg in die Bibel der Traveller, den Lonely Planet gefunden!
Bald sitze ich in der kleinen Bangka, zusammen mit Marvin und Mario, die spontan beschlossen haben mich zu begleiten. Monique hat Angst vor den Wellen und bleibt zuhause... Wir fahren die letzten Meter aus der Flussmuendung heraus, vorbei an goldwaschenden Maennern und winkenden Kindern, hinaus aufs offene Meer. Tatsaechlich werden wir hier nun ziemlich durchgeschuettelt, und mehrmals waere das schmale Boot wohl gekippt, waere es nicht landestypisch mit Bambusstangen in die Breite gestuetzt. Wir sind nach kurzer Fahrt bereits plitschnass von Kopf bis Fuss. Nach einer Stunde Fahrt tauchen am Horizont die ersten Inselchen der Calaguas Gruppe auf und nach zwei Stunden erreichen wir Tinaga. Das Wasser in der Bucht strahlt tuerkisblau und ist wieder ganz ruhig.
Die Insel ist ein Traum, der Strand lang, weiss, puderzuckerfein und fast menschenleer. Nur eine kleine Gruppe Philippinos aus Manila hat noch den Weg hierher gefunden. Schnell ist ein geeignetes Stueck Strand gefunden und mein Zelt aufgestellt. Und fuer heute Nacht gehoert die Insel uns ganz alleine! Es ist kaum zu glauben, dass so ein Ort noch so unberuehrt existiert, und es bleibt zu hoffen, dass dies noch lange so bleibt...
Doch, so werde ich belehrt, wurde bereits ein Drittel des Strandes von den Besitzern von Boracay fuer ein Butterbrot aufgekauft...
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