Streifzug durch Bogota. An einer Ecke die Smaragdverkäufer, auf dem Platz vor dem Goldmuseum der Hippiemarkt. Das Goldmuseum soll eines der besten ganz Lateinamerikas sein, zumindest eines der bestbewachten. Die sagenumwobenen präkolumbinischen Goldschätze lagern hier hinter dicken Panzertüren und gesicherten Vitrinen. Auf drei Stockwerken sind die fein gearbeiteten Schätze zu bewundern. Noch viel mehr der Stücke landeten leider nicht hier, sondern als Goldbarren in Spanien. Eingeschmolzen und ins Vaterland verschifft von den goldsüchtigen Kolonialisten.
Auf der Strasse bittet mich ein Bettler um Geld, das ich ihm negiere. Darauf hin bekomme ich seine Lebensgeschichte zu hören. Vertrieben wurde er, aus seinem ehemaligen Wohnort, von den Grossfirmen und ihrer „Selbstverteidigungsarmee“, den Paramilitärs. Einer der zig-tausend internen Flüchtlingen, die in der Hauptstadt ein neues Leben suchen. Und nicht finden. Was mich stutzen lässt, seine folgende Aussage: „Das hier ist nicht das Paradies, wir leben nicht in der Schweiz“ Er kann nicht wissen, dass ich Schweizerin bin. Er erreicht was er wollte und ich gebe ihm ein paar Pesos, für seine traurige Geschichte.
Ist die Schweiz wirklich das Paradies? Und – geht es uns vielleicht so gut, da es den Leuten hier schlechter geht? Dunkle Gedanken trüben den Tag. Immerhin gehören auch die Schweizer Unternehmen Nestlé und Glencore zu den Firmen hier, die erwiesenermassen im Namen der Gewinnoptimierung mit Hilfe der Paramilitärs ihre Gewerkschaften unterdrücken. Unbegründete Entlassungen, Vertreibungen, Einschüchterungen, Mord...
Kolumbien ist ein intensives Land.
Anschliessend Aufstieg zum Monserrate, Bogotas Hausberg. Nicht unanstrengend, schliesslich geht es von 2'500 auf 3'000 Meter. Entlang des Pilgerweges zum Gipfel ist die Unterhaltungsindustrie präsent. Man fühlt sich wie auf einem Jahrmarkt. Verkäufer mit Lotterielosen, ein improvisierter Schiessstand, Verkäufer von Kruzifixen und Marienbildchen, kleine Buden, wo man vom Süssgetränk zu Hormigas Culonas („Grossarschameisen“ – eine kolumbianische Alternative zu Popcorn) alles kaufen kann. Doch am erfolgreichsten scheint der Mann, der Stromstösse verkauft. Vor ihm scharrt sich die Horde. Der Spieler nimmt ein Metallstücke in jede Hand, während der Stromverkäufer per Kurbel die Dosis erhöht. 60, 65, 70... zählt laut der Verkäufer mit. Erst kribbelt es wohl, bis es weh tut. Kurz vor 80 lassen sie alle los, und verlieren somit den gesetzten Einsatz. Nur einer gewinnt. Der Alte grinst verschmitzt. Ich vermute, ein Komplize des Verkäufers, ohne Stromspannung. Ich liebe originelle Methoden zur Geldbeschaffung, und die Naivität der Leute.
Daneben die Pilger, die in Dank an die Wundersame schwarze Jungfrau von Monserrate barfuss, oder auf den Knien den Berg hoch steigen. Eineinhalb Stunden, bis die Knie bluten.
Herrliche Aussicht von oben. Bogota ist mit über 7 Millionen Einwohner die grösste Stadt in den Anden. Das sind so viele Einwohner, wie die ganze Schweiz. Aus dieser Perspektive wird deutlich, dass die Zahl wohl stimmt. Im Norden (die Reichen), gen Süden (die Armen), gen Westen - überall Stadt, bis zum Horizont. Doch Blick in den Osten: grüne Täler und Berge. Kolumbien ist voller Gegensätze.
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